Teil II


Der Zwischenzustand des Seins-an-sich

 

 

1. Einleitung
2. Anweisung zur Einsicht während des zweiten Zwischenzustands

3. Visionen der friedvollen Mächte

Vision des Vairocana
Vision des Vajrasattva Akshobya
Vision des Ratnasambhava
Vision des Amitabha
Vision des Amoghasiddhi
Vision der fünf spirituellen Ordnungen
Vision der wissensbewahrenden Mächte

4. Visionen der schreckenerregenden Mächte
Einleitung
Vision des Buddha Heruka
Vision des Vajra-Heruka
Vision des Ratna-Heruka
Vision des Padma-Heruka
Vision des Karma-Heruka
Vision der acht Ma-mo und anderer weiblicher Gottheiten
Abschließende Anweisungen

 

1. Einleitung

Hat er aber, obwohl er zu Lebzeiten von einem Lama zur Einsicht gebracht wurde, nur wenig spirituelle Übung, dann kann er von sich aus keine Klarheit über den Zwischenzustand gewinnen. Deshalb muß ein Lama oder ein geistlicher Bruder ihn klar und deutlich unterweisen. Doch auch wenn er über spirituelle Übung verfügt, aber im Todesaugenblick durch eine heftige Krankheit so verwirrt ist, daß er sich [den Sinn der früheren Unterweisungen] nicht mehr vergegenwärtigen kann, dann ist diese Art von Unterweisung nötig. Auch wenn er früher die spirituelle Übung des geistlichen Weges beherrschte, seine Gelübde aber aufgegeben hatte und — da er sein [tantrisches] Hauptgelübde nicht unverbrüchlich halten konnte — zu denjenigen gehört, die eine schlechte Wiederverkörperung erfahren werden, braucht er diese Unterweisung unbedingt.
Am besten ist es, wenn [der Tote das Licht] im ersten Zwischenzustand erkennt. Erkennt er es jedoch nicht, dann wird er befreit, wenn während des zweiten Zwischenzustands durch die Hilfe der klaren Anweisung seine Geist-Natur erwacht. Ferner wird im zweiten Zwischenzustand ein reines Wissen auftreten, das man bisher, als Toter oder Lebender, nicht besaß. Dies ist das, was man den wahren Illusionsleib nennt.
Begreift [der Tote] zu dieser Zeit nun die Unterweisung, dann [erkennt] er das So-Sein [der Wirklichkeit], so wie Kind und Mutter sich erkennen. Das Karma kann daran nichts ändern. Ein Beispiel hierzu: So wie das Licht der Sonne die Dunkelheit besiegt, so besiegt das helle Licht des geistigen Pfades die Kraft des Karma, und man erlangt die Befreiung. Ferner geht nun dem Geist-Wesen deutlich das auf, was man den zweiten Zwischenzustand nennt.
Das Bewußtsein [des Toten] schweift wie vorher in Hörweite [um die Leiche]. Wenn [der Tote] zu dieser Zeit die Unterweisung versteht, ist der Sinn erfüllt, und da die wirren Erscheinungen des Karma noch nicht aufgegangen sind, kann man nach Belieben noch Einfluß nehmen.
Auch wenn [der Tote] das Urlicht nicht erkannt hat, aber nun das Licht des zweiten Zwischenzustands erkennt, wird er befreit. Wenn er hierdurch nicht befreit wird, dann nennt man [das Kommende] den dritten Zwischenzustand. Wenn der Zwischenzustand des Seins-an-sich aufgeht, ziehen die wirren Erscheinungen des Karma im dritten Zwischenzustand auf. Zu dieser Zeit muß man unbedingt die Große Einsicht in den Zwischenzustand des Seins-an-sich lesen, denn dieses [Traktat] ist wirkungsmächtig und hilfreich. Zu dieser Zeit weinen und wehklagen seine Verwandten, geben ihm seinen Anteil am Essen nicht, nehmen ihm seine Kleider weg, räumen seinen Schlafplatz auf. Wenn sie ihn rufen, so kann er sie hören, aber wenn er sie ruft, dann hören sie ihn nicht. Deshalb entflieht er immer wieder voll Wehmut.



Kommentar:
Der erste Zwischenzustand, der unmittelbar dem Tod folgt, kann in schierer Bewußtlosigkeit verdämmert werden, so daß die beste Möglichkeit zur Einsicht in die wahre Natur der Erscheinungen nach dem Tod ungenützt vorübergeht. Nur die, die über eine gründliche spirituelle Übung und Erfahrung verfügen, können in dieser ersten Phase nach dem Tod das Urlicht in seiner Klarheit erschauen. Sie sind dann auch in der Lage, diesen Zustand für längere Zeit andauern zu lassen. Den anderen vergeht er »wie ein Fingerschnalzen« wie der Text sagt.
Das Wahre Sein, das sich um ersten Zwischenzustand als ungeteiltes Urlicht offenbarte, entfaltet sich nun in fünffacher Weise. Die Pentade der Buddhas — oft auch als Dhyani-Buddhas bezeichnet — erscheint dem Toten in gleißenden, blendenden Lichtaureolen. Um zu verdeutlichen, daß in dieser Pentade das ganze Universum, soweit es einem Lebewesen erfahrbar ist, eingeschlossen ist, wird jeder der fünf Buddhas mit weiteren Strukturelementen verbunden. Es sind dies keine physischen Elemente, sondern Strukturen, die das Universum als Gegenstand geistiger Erfahrung ausmachen: Jedem Buddha entspricht eine bestimmte Himmelsrichtung sowie eine bestimmte Farbe, ein Emblem, ein Reittier und Element, sowie ein bestimmter Daseinsbereich, die alle der Himmelsrichtung zugeordnet sind. Ferner werden jedem Buddha eine bestimmte Art der Weisheit, verkörpert in der weiblichen Gefährtin, die ihn umfaßt, sowie weibliche und männliche Bodhisattvas zugeordnet. Damit ist aber die Liste der Parallelisierungen noch nicht erschöpft, denn diese Buddhas vereinen in sich auch das Unvereinbare. Die fünf Gifte -Haß, Nichtwissen, Neid, Fleischeslust und Begehren — werden von ihnen in die fünf Weisheiten verwandelt, ebenso wie die fünf Konstituenten des Daseins (Gestalt, Gefühl, Wahrnehmung, Gemütskräfte und Bewußtsein).
Dieser Auffassung liegt eine Konzeption zugrunde, die als Basis vor allem des tantrischen Buddhismus bezeichnet werden darf: daß nämlich in der exzessiven Erfahrung einer einzelnen Leidenschaft oder Verblendung gleichzeitig die Erfahrung ihres Gegenteils eingeschlossen ist, wenn diese Erfahrung nur intensiv genug ist und aller vorgeprägten Wertungen und Meinungen entbehrt. So sind auch die anscheinenden Ungereimtheiten in den Lebensberichten der tantrischen Mystiker zu verstehen, die das Unreinste tun und doch voll Lauterkeit sind. Der Tantrismus versucht damit die Philosophie der Madhyamika-Lehre, die ja jede wesentliche Unterscheidung der Phänomene an ihrer Relativität scheitern sieht, in eine existentielle Erfahrung umzumünzen. Die am Schluß angefügte Tabelle mag die Übersicht über die Vision der Pentade der Buddhas erleichtern.


Gegen Ende der Visualisation eines jeden Buddhas folgen Gebete, in denen stets zwei Metaphern gebraucht werden, die zunächst etwas fremd anmuten mögen. Da heißt es, das vom Buddha ausstrahlende Licht sei ein Haken. Dieses Bild ist der indischen Ikonographie entlehnt und bedeutet den Leithaken des Elefantenführers. Dieses Werkzeug tritt auch als Attribut indischer Götter auf, denn der Gott leitet den Menschen so, wie der Elefantenführer mit dem Haken den Elefanten führt, und ihn aus Unheil und Gefahr herauszieht. Um diesen Sinn ein wenig anzudeuten, wurde das Wort hier mit »Rettungshaken« wiedergegeben.
Wenn am Schluß der Vision der Buddha um Hilfe angerufen wird, dann heißt es, daß die jeweilige weibliche Gefährtin des Buddha »mich dabei von hinten unterstützen möge«. Als ein Bergvolk stellten sich die Tibeter auch die Wanderung durch den Zwischenzustand gerne in der Art einer äußerst gefährlichen Bergwanderung vor. Begriffe wie »Abgründe«, »Schluchten« u. a. werden daher gerne verwendet. Und so faßt man auch die Hilfe durch den Buddha in ein sinnfälliges Bild: Der Buddha steht oben und zieht mit dem Rettungshaken seines Mitleids das Geist-Wesen aus dem Abgrund des Zwischenzustands heraus, wobei die dem Buddha zugeordnete heilige Mutter (yum) von hinten schiebt, um ganz sicher zu sein, daß das Geist-Wesen auch gerettet wird. Da der Verstorbene so von vorne und hinten von helfenden Mächten flankiert wird, kann er getrost alle Angst fallenlassen und sich der Führung des Buddha anvertrauen.


 

2. Anweisung zur Einsicht während des zweiten Zwischenzustands

Zu dieser Zeit nimmt [der Tote] Töne, Licht und Strahlen wahr, und Furcht, Schrecken und Entsetzen lähmen ihn. Deshalb muß man zu dieser Zeit die Große Einsicht in den Zwischenzustand des Seins-an-sich lesen. Nun rufe man [den Toten] bei seinem Namen und lese diese Worte klar und deutlich:
»Sohn der Edlen, höre gesammelt und mit großem Eifer zu! Es gibt sechs Arten des Zwischenzustands. Nämlich: den Zwischenzustand der natürlichen Geburtsstelle (i. e. der Mutterschoß), den Zwischenzustand des Traumes, den Zwischenzustand der Versenkung, den Zwischenzustand der Todesstunde, den Zwischenzustand des Seins-an-sich und den Zwischenzustand des Werdens in Abhängigkeit. Sohn der Edlen, dir jedoch werden drei Arten des Zwischenzustands erscheinen: der Zwischenzustand der Todesstunde, der des Seins-an-sich und der des Werdens. Von diesen ist dir zwar vor kurzem das Licht des Seins-an-sich im Zwischenzustand der Todesstunde aufgegangen, aber da du es nicht wahrlich begreifen konntest, mußt du nun hier umherirren. Nun wird dir der Zwischenzustand des Seins-in-sich und der des Werdens aufgehen. Die Einsicht, die ich dir vermittle, sollst du wahrhaft gesammelt erfassen.
Sohn der Edlen, nun widerfährt dir das, was man den Tod nennt. Du mußt diese Welt verlassen. Du bist nicht der einzige, dem solches widerfährt. Da dieses allen geschieht, sehne dich nicht nach diesem Leben und verlange nicht danach! Auch wenn du dich danach sehnst und verlangst, hast du nicht die Macht zu bleiben. Dir bleibt nichts anderes, als im Kreislauf [der Existenzen] umherzuirren. Sehne dich nicht danach, verlange nicht danach! Vergegenwärtige dir die Drei Kostbarkeiten!
Sohn der Edlen, auch wenn dir die Erscheinungen des Zwischenzustands des Seins-an-sich noch so furchtbar und schrecklich aufsteigen, darfst du diese Worte nicht vergessen! Und nun geh dahin, indem du dir den Sinn dieser Worte einprägst. Dies ist die Quintessenz dieser Unterweisung.


>Wehe! Zu der Zeit, da mir der Zwischenzustand des Seins-an-sich aufsteigt, und da ich jedwede Furcht und Angst zurückgewiesen habe, möchte ich doch zur Einsicht gelangen, daß alles, was mir aufsteigt, eine Erscheinung meiner eigenen Geist-Natur ist. Möchte ich doch erkennen, daß dies die Weise ist, in der der Zwischenzustand erscheint! An diesem hochbedeutsamen Zeitpunkt angelangt, möge ich die Scharen der Friedvollen und Schrecklichen, die ja eine Erscheinung meiner selbst sind, nicht mehr fürchten!<

Indem du dir diese Worte klar und deutlich vorsprichst, vergegenwärtige dir im Herzen ihren Sinn. Vergiß sie nicht, denn der Sinn dieser Unterweisung ist, daß du jedwede Erscheinung, wie schrecklich sie auch sein mag, als eine Erscheinung deiner selbst verstehst.
Sohn der Edlen, zur Zeit, da Körper und Geist sich trennen, geht dir die wahre Erscheinung des Seins-an-sich als subtil und klar, hell-strahlend, von Natur aus leuchtend und doch furchterregend auf, gleich dem Glitzern einer flimmernden Fata Morgana über einer hochsommerlichen Ebene. Dies fürchte nicht! Erschrecke nicht! Habe keine Angst! Dies erkenne als den typischen Abglanz deines eigenen Seins! Aus dem Licht ertönt ein heftiger Donner, als der Laut, der dem Sein eigen ist. Es ist, als ob tausend Donner zur gleichen Zeit losdröhnten. Da aber dies der dem Sein eigene Laut ist, brauchst du ihn nicht zu fürchten! Erschrick nicht, habe keine Angst! Du hast nun das, was man das von Neigungen bestimmte Geist-Wesen nennt. Aber da du keinen physischen Körper aus Fleisch und Blut hast, deshalb können dir die Laute, das Licht und die Strahlen, die da aufscheinen, nichts anhaben, denn du kannst nicht sterben. Du mußt sie nur als Erscheinungen deiner selbst erkennen. Dies verstehe als den Zwischenzustand! Sohn der Edlen, wenn du dieses nicht als Erscheinungen deiner selbst erkennst und durch diese Unterweisung nicht zur Einsicht gelangst, dann wird das Licht dich in Furcht versetzen, die Klänge werden dich ängstigen und die Strahlen dich schrecken. Wenn du die Quintessenz dieser Unterweisung nicht verstehst, dann mußt du in der Wandelwelt umherwandern, da du [die Natur] dieser Klänge, des Lichtes und der Strahlen nicht erkannt hast.«

 

3. Visionen der friedvollen Mächte

Vision des Vairocana

»Sohn der Edlen, bereits seit drei und einem halben Tag bist du in Bewußtlosigkeit gewesen. Da du aus der Bewußtlosigkeit erwachst, wird dir der Gedanke kommen: >Was ist mir nur geschehen?< Deshalb mußt du erkennen, daß du im Zwischenzustand [bist]. Zu dieser Zeit, da du dich von der Wandelwelt abkehrst, gehen alle Erscheinungen als Licht und göttliche Personen auf. Der ganze Himmel erstrahlt in hellblauer Farbe.
Zu dieser Zeit geht dir die Vision des Erhabenen Vairocana auf. Er sitzt im Seligen Gefilde der Mitte, Ausbreitung des Lichtpunkts genannt auf dem Löwenthron, ist von weißer Farbe, hält das achtspeichige Rad in der Hand und umfängt die göttliche Mutter Akashadhateshvari (d. i. Beherrscherin des Himmelsraums) von Angesicht zu Angesicht. Da die Bewußtseins-Konstituente geläutert wurde, geht vor dir das hellblaue Licht, das die Urweisheit der Sphäre des Seins-an-sich ist, klar, durchsichtig, leuchtend und strahlend auf. Aus dem Herzen des göttlichen Vairocana und der göttlichen Mutter trifft es dich so unmittelbar, daß deine Augen es kaum ertragen können.
Gleichzeitig mit diesem [strahlenden Licht] wird dich ein göttliches, weißes Licht treffen, das jedoch nicht strahlt. Kraft deines schlechten Karmas wirst du zu dieser Zeit vor dem hellblauen, strahlenden Licht, das die Urweisheit der Sphäre des Seins-an-sich ist, Angst und Schrecken empfinden, und du wirst ihm zu entfliehen suchen. Dagegen wird das göttliche, nichtstrahlende, weiße Licht dir eine angenehme Empfindung bereiten. Zu dieser Zeit sollst du vor dem hellblauen, klaren, strahlenden und durchsichtigen Licht keine Angst haben, denn es ist das Licht de«erhabenen Weisheit, fürchte es nicht! Man nennt es das Licht des Tathagata, und es ist die Urweisheit der Sphäre des Seins-an-sich, bringe ihm daher Glauben und Hingabe entgegen. Bedenke, dies ist das Licht des Mitleids des Tathagata Vairocana! So flehe es an! So ist also der Tathagata Vairocana gekommen, um dich am abgründigen Pfad des Zwischenstands zu empfangen. Dies ist Vairocanas Licht des Mitleids! Das göttliche weiße Licht, das strahlenlose, sollst du nicht schätzen, nicht begehren, nicht danach verlangen! Wenn du danach verlangst, wirst du im Kreise der sechs Daseinsbereiche‘ umherirren, da du [zunächst] in die Welt der Götter wandern mußt. Da [dieses weiße Licht] ein Hindernis auf dem Weg zur Befreiung ist, sollst du deinen Blick ihm nicht zuwenden! Nach dem hellblauen Licht, dem leuchtend klaren, sollst du verlangen und voll Inbrunst an Vairocana dieses Gebet richten, das du mir nachsprechen sollst!


>Wehe! Da ich zu dieser Zeit durch meine tiefe Unwissenheit in der Wandelwelt umherirrte, bitte ich Dich, Vairocana, mich auf den lichten Pfad der Urweisheit der Sphäre des Seins-an-sich, auf den [rechten] Pfad zu führen! Und die erhabene, göttliche Mutter Akasheshvari (Herrin des Himmelsraums) möge mir von hinten beistehen. Ich bitte Dich, errette mich aus dem abgründigen Pfad des Zwischenzustands und geleite mich zur vollkommen vollendeten Buddhaschaft!<

Da du dieses Gebet mit tiefer Verehrung gesprochen hast, gehst du ein in die Aureole um das Herz des göttlichen Vaters Vairocana und der göttlichen Mutter, und im Seligen Gefilde der Mitte, das Dicht-Gefügte genannt, wirst du ein Buddha im Zustand des vollkommenen, spirituellen Mitteilens.

 

Vision des Vajrasattva Akshobya

»Ferner, wenn du trotz dieser Unterweisung, nämlich durch den hemmenden Einfluß deines Hasses und deiner Befleckungen, Angst vor dem Licht und dem Strahlen empfindest und zu fliehen suchst und trotz des Gebets verwirrt bist, werden am zweiten Tag sowohl die göttlichen Scharen des Vajrasattva wie auch dein schlechtes, höllisches Karma kommen, um dich zu empfangen.«
Um nun [den Toten] zur Einsicht zu bringen, rufe man ihn bei seinem Namen und spreche folgendes:
»Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Am zweiten Tag erscheint dir ein weißes Licht, das die Sublimierung des Elementes Wasser ist. Gleichzeitig geht dir aus dem bläulich strahlenden Seligen Gefilde Hohes Glück des Ostens die Vision des Erhabenen Vajrasattva Akshobhya auf. Er ist von bläulicher Körperfarbe und hält einen fünfzackigen Vajra in der Hand, während er auf einem Elefanten sitzt und die göttliche Mutter Buddha-Locana von Angesicht zu Angesicht umfangen hält. Sie sind umgeben von [den männlichen] Bodhisattvas Kshitigarbha und Maitreya und den weiblichen Bodhisattvas Lasya und Pushpa, so daß nun das Wesen des Buddha dir sechsfach erscheint.
Die Spiegelgleiche Urweisheit, die als weißes Licht der geläuterten Konstituente der Gestalthaftigkeit weiß, strahlend, klar und leuchtend ist, bricht aus dem Herzen des göttlichen Vaters Vajrasattva und der göttlichen Mutter hervor und trifft dich so unmittelbar, daß du [dieses Licht] fast nicht anzuschauen vermagst. Gleichzeitig mit diesem Licht der Urweisheit wird dich ein höllisches, rauchfarbenes Licht treffen, das jedoch nicht strahlt. Kraft deiner Ablehnung wirst du zu dieser Zeit vor dem weißen, strahlenden Licht Angst und Schrecken empfinden, und du wirst ihm zu entfliehen suchen. Dagegen wird das höllische, rauchfarbene Licht, das nicht strahlt, dir eine angenehme Empfindung bereiten. Zu dieser Zeit sollst du dieses weiße Licht, das leuchtend, strahlend, klar und durchsichtig ist, nicht fürchten, sondern es als die Urweisheit erkennen! Ihm sollst du gläubiges Vertrauen und Hingabe entgegenbringen. Es ist doch der Lichtstrahl des Mitleids des Erhabenen Vajrasattva. Voll Hingabe sollst du denken: >Zu Ihm nehme ich Zuflucht!<, und deine Gebete an ihn richten, denn er ist ja der Erhabene Vajrasattva, der gekommen ist, um dich aus dem Schrecken und den Ängsten des Zwischenzustands herauszuführen. Da dies doch ein eiserner Rettungshaken von Licht ist, nämlich das Mitleid des Vajrasattva, verlange danach! Neige dich nicht dem höllischen, rauch-farbigen Licht ohne
Strahlen zu! Dies ist der unselige Pfad deiner Befleckungen, die du durch deinen heftigen Haß angehäuft hast. Verlange nicht danach, da du sonst an einen höllischen Ort gerätst! Bist du erst eingetreten in den Bereich des unerträglichen Leides und Elends, wird die Zeit des Entrinnens nicht [so bald] kommen, denn dies ist ein Hindernis, das den Weg zur Befreiung versperrt. Deshalb schau nicht darauf und gib deinen Haß auf! Begehre und verlange nicht danach!
Das weiße, leuchtende, strahlende Licht wünsche herbei! Wende dich voll Inbrunst mit folgendem Gebet an den Erhabenen Vajrasattva und sprich:

>Wehe! Da ich zu dieser Zeit, bedingt durch meinen tiefen Haß, in der Wandelwelt wandern muß, führe mich auf den leuchtend klaren Pfad der Spiegelgleichen Urweisheit, auf den [rechten] Pfad, o Erhabener Vajrasattva! Die göttliche Mutter Buddha-Locana steht von hinten bei. Ich bitte Euch, befreit mich aus dem schrecklichen, abgründigen Pfad des Zwischenzustands! Geleitet mich zum Zustand der reinen, vollkommenen Buddhaschaft!<

Da du mit diesen Worten voll inniger Verehrung und Hingabe betest, gehst du ein in die Aureole im Herzen des erhabenen Vajrasattva. Und du wirst im Seligen Gefilde Hohes Glück ein Buddha, der im Zustand des vollkommenen, spirituellen Mitteilens ist.«

 

Vision des Ratnasambhava

Obgleich sie zur Einsicht gebracht werden sollten, empfinden einige Lebewesen, die voll Stolz und Befleckungen sind, doch Furcht vor dem Licht des Mitleids, [das gleich] einem Rettungshaken [ist], und laufen weg. Deshalb kommen am dritten Tag die göttlichen Scharen des Ratnasambhava zusammen mit dem lichten Weg der Menschen, um [den Toten] zu empfangen. Wiederum gilt es, sie zur Einsicht zu bringen: Man rufe den Toten bei seinem Namen und spreche:
»Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Da nun der dritte Tag gekommen ist, erscheint dir ein klares gelbes Licht. Zu dieser Zeit wird dir der Erhabene Ratnasambhava, mit gelber Körperfarbe und in der Hand ein kostbares Juwel haltend, im Seligen Gefilde des Südens — >das Glanzvolle< genannt, erscheinen, wie er auf einem herrlichen Pferd sitzt und die göttliche Mutter Mamaki von Angesicht zu Angesicht umfängt. Er ist umgeben von [den männlichen] Bodhisattvas Akashagarbha und Samantabhadra und den weiblichen Bodhisattvas Mala und Dhupa. Damit entfaltet sich dir aus der Sphäre des Lichtes, der Strahlen und der Aureole das Wesen des Buddha sechsfach.
Ein gelbes Licht, nämlich die geläuterte Gefühls-Konstituente strahlt gelblich als die Urweisheit von der Gleichheit [aller Phänomene], geschmückt mit großen und kleinen Lichtkränzen, hell-leuchtend und dem Auge unerträglich. Es trifft dich unmittelbar aus dem Herzen des göttlichen Vaters Ratnasambhava und der göttlichen Mutter hervorbrechend, so daß dein Auge es kaum anzusehen vermag.
Gleichzeitig mit diesem [Licht der Urweisheit] trifft ein menschliches, blaues Licht gegen dein Herz. Aufgrund deines Stolzes erwacht zu dieser Zeit in dir Furcht vor diesem strahlenden, leuchtenden gelben Licht, und du möchtest ihm entfliehen. Während in dir Freude und Zuneigung zu dem menschlichen, blauen Licht, das nicht strahlt, erwächst, sollst du eben dieses gelbe Licht, das klar, durchsichtig, strahlend und leuchtend ist, nicht fürchten, sondern es als die Urweisheit erkennen. Darin sollst du deinen Geist in der Gelassenheit seines Wesens ohne Tun ruhen lassen. Auch sollst du dich ihm mit Verlangen und Hingabe zuwenden. Wenn du [dieses Licht] als das ureigene Strahlen deiner eigenen Geist-Natur erkennst, dann wirst du im Wesen identisch mit den göttlichen Personen und allen Lichtstrahlen und zu einem Buddha werden, auch wenn du keine Verehrung dargebracht und das Gebet nicht gesprochen hast. Wenn du [dieses Licht] aber nicht als das ureigene Strahlen deiner geistigen Natur erkennen kannst, dann bete mit tiefer Verehrung, indem du folgendes denkst:
>Dies ist der Lichtstrahl des Mitleids des Erhabenen Ratnasambhava. Zu ihm nehme ich Zuflucht!< Weil dies eben der Rettungshaken des Lichtes des Mitleids des Erhabenen Ratnasambhava ist, neige dich ihm in Verehrung zu! An dem menschlichen, blauen Licht ohne Strahlen empfinde keine Freude! Dies ist der unselige Lichtpfad deiner latenten Neigungen, angesammelt durch deinen großen Stolz. Wenn du nach ihm verlangst, gerätst du in die Menschenwelt, wo dir das Leid von Geburt, Alter, Krankheit und Tod sicher ist, da ja die Zeit zur Befreiung aus der Wandelwelt nicht gekommen ist. Weil dies also ein Hindernis auf dem Pfad zur Befreiung ist, sollst du deinen Blick ihm nicht zuwenden und dabei deinen Stolz aufgeben.
Diese latenten Neigungen gib auf! Hänge ihnen nicht an!
Verlange nicht danach! Dem gelben Licht, so klar und strahlend, neige dich zu und sprich dies Gebet, indem du dich auf den Erhabenen Ratnasambhava konzentrierst:

>Wehe! Zur Zeit, da ich durch meinen schrecklichen Stolz in der Wandelwelt umherirren muß, führe mich, o Erhabener Ratnasambhava, auf den lichten und wahren Pfad der Urweisheit von der wesensmäßigen Gleichheit aller Phänomene. Und die göttliche Mutter Mamaki möge mir dabei von hinten beistehen. So bitte ich dich, mich aus dem abgründigen Pfad des schrecklichen Zwischenzustands zu erretten und mich zur vollkommen vollendeten Buddhaschaft zu geleiten!<

Wenn du dieses Gebet mit tiefer Verehrung gesprochen hast, gehst du ein in die Aureole um das Herz des göttlichen Vaters, des Erhabenen Ratnasambhava, und der göttlichen Mutter. Und im Seligen Gefilde des Südens, das Glanzvolle genannt, wirst du zu einem Buddha im Zustand des vollkommenen spirituellen Mitteilens. Da du so zur Einsicht gebracht wurdest, wirst du ohne Zweifel befreit werden, wie schwach auch dein Vermögen sein mag.«

 

Vision des Amitabha

Es gibt aber Gruppen von Menschen, die, obwohl sie mehrfach in dieser Weise zur Einsicht gebracht wurden, immer noch nicht diese Einsicht verwirklichten, sei es aufgrund der tiefen Verdunklungen [ihres Geistes], sei es, daß sie ihre religiösen Gelübde brachen, sei es, daß sie zu jenen gehören, denen es an Geschick gebricht. Aufgrund ihrer Begehrlichkeit und ihrer geistigen Verdunklungen ängstigen sie sich vor den Tönen und dem Licht und versuchen zu fliehen. Deshalb kommen am vierten Tag die göttlichen Scharen des Erhabenen Amitabha und das Licht des Pfades der Hungergeister, bedingt durch die Taten seiner Begehrlichkeit und seines Geizes, um ihn zu empfangen.

Wiederum soll [der Tote] zur Einsicht gebracht werden. Man rufe den Toten bei seinem Namen und spreche:
»Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Am vierten Tage erscheint dir nun das rote Licht, das das sublimierte Element Feuer ist. Zu dieser Zeit geht dir im Seligen Gefilde des Westens, das Glückselige genannt, der Erhabene Amitabha auf. Er ist von roter Körperfarbe, sitzt auf einem Pfauenthron, hält eine Lotosblüte in der Hand und umfängt die göttliche Mutter Pandaravasini (>Die Weiß Gewandete<) von Angesicht zu Angesicht. Er ist umgeben von den beiden [männlichen] Bodhisattvas Avalokiteshvara und Manjushri und den beiden weiblichen Bodhisattvas Kirti und Aloka, so daß dir aus der Lichtsphäre der Aureole das Wesen des Buddha sechsfach aufscheint.
Die Urweisheit der Unterscheidung, die als rotes Licht der geläuterten Wahrnehmungs-Konstituente rot, strahlend, geschmückt mit großen und kleinen Lichtkränzen, klar und leuchtend, strahlend und funkelnd ist, bricht aus dem Herzen des göttlichen Vaters Amitabha und der göttlichen Mutter hervor und trifft dich ins Herz. Fast unerträglich für dein Auge kommt es auf dich zu. Fürchte dich nicht davor!
Gleichzeitig aber mit dem Licht der Urweisheit erscheint das gelbe Licht der Hungergeister, das strahlenlose, deshalb fühle dich nicht angezogen von ihm! Gib das Verlangen und Begehren danach auf!
Zu dieser Zeit wirst du kraft deiner starken Begierde vor dem roten Licht, dem strahlend klaren, Furcht empfinden und zu fliehen versuchen. Aber zu dem gelben strahlenden Licht der Hungergeister fühlst du dich hingezogen, und es erwächst ein starkes Verlangen danach in dir. Zu dieser Zeit sollst du das rote Licht, das strahlend leuchtende, nicht fürchten, sondern es als die Urweisheit erkennen! Hierauf sollst du den Geist in der Gelassenheit seines Wesens ohne Tun ruhenlassen und auch [diesem Licht] mit Vertrauen und Hingabe begegnen. Wenn du es als das ureigene Strahlen deiner selbst erkennst, wirst du — wesensgleich mit all den göttlichen Personen und dem Licht — in ihnen versinken und ein Buddha werden, auch wenn du keine Verehrung dargebracht hast und wenn du das Gebet nicht gesprochen hast.

Kannst du aber [die Wahrheit] auch in dieser Weise nicht erkennen, dann bete mit Verehrung und Hingabe, indem du denkst: >Dies ist das Licht des Mitleids des Erhabenen Amitabha. Zu ihm nehme ich Zuflucht!< Dies ist der Lichthaken des Mitleids des Erhabenen Amitabha. Gib dich Ihm verehrungsvoll hin! Fliehe nicht [dieses Licht! Auch wenn du es fliehst, wird es stets mit dir verbunden bleiben. Fürchte es nicht!
Nach dem gelben Licht der Hungergeister, dem strahlenlosen, sehne dich nicht, denn es ist der Lichtpfad deiner latenten Neigungen, die durch deine starke Begierde aufgestaut wurden. Wenn du danach verlangst, wirst du an den Ort der Hungergeister geraten und unerträgliches Leid durch Hunger und Durst erfahren. Da dies ein Hindernis auf dem Pfad zur Befreiung ist, verlange nicht danach, sondern gib diese Neigungen auf! Hänge ihnen nicht an! Dem roten Licht, dem klaren, strahlenden, sei hingegeben! Indem du dich ganz auf den Erhabenen Amitabha, den göttlichen Vater, und die göttliche Mutter konzentrierst, sprich dieses Gebet:

>Wehe! Zur Zeit, da ich durch meine starke Begierde in der Wandelwelt umherirre, führe mich, o Erhabener Amitabha, auf den hellen Lichtpfad der unterscheidenden Urweisheit! Und die göttliche Mutter Pandaravasini
stehe mir von hinten bei! Ich bitte Dich, rette mich aus dem abgründigen Pfad des schrecklichen Zwischenzustands und geleite mich zur vollkommen vollendeten Buddhaschaft!<

Da du mit diesen Worten hingebungsvoll und mit Verehrung gebetet hast, gehst du ein in die Aureole um das Herz des göttlichen Vaters, des Erhabenen Amitabha, und der göttlichen Mutter und wirst im Seligen Gefilde des Westens, das Glückselige genannt, zu einem Buddha im Zustand vollkommenen spirituellen Mitteilens.«
Es ist nicht möglich, daß man dadurch nicht befreit würde.

 

Vision des Amoghasiddhi

Auch wenn man [den Toten] in dieser Weise zur Einsicht bringen wollte, so gibt es doch Lebewesen, die durch ihre latenten Neigungen und durch langandauernde Gewöhnung, sowie durch Neid und übles Karma, da sie die latenten Neigungen nicht aufgegeben haben, vor den Tönen und dem Licht Furcht und Schrecken empfinden. Weil sie aber durch den Rettungshaken des Lichtes des Mitleids nicht erfaßt wurden, müssen sie am fünften Tag des Zwischenzustands umherirren. Zu dieser Zeit kommen die göttlichen Scharen des Erhabenen Amoghasiddhi, denen die Lichtstrahlen des Mitleids anhaften, um [den Toten] zu empfangen. Aber auch der Lichtpfad der Asura, geboren aus der Verderbtheit des Neides, wird kommen, um ihn zu empfangen. Auch zu dieser Zeit gilt es, [den Toten] zur Einsicht zu bringen, also rufe man den Toten bei seinem Namen und spreche:
»Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Am fünften Tage erscheint dir das grüne Licht als die sublimierte Erscheinungsform des Elementes Luft. Zu dieser Zeit geht dir im grün-leuchtenden Seligen Gefilde des Nordens, Vollendung des Tuns genannt, der Erhabene Amoghasiddhi samt seinem Gefolge auf. Er ist von grüner Körperfarbe, hält einen gekreuzten Doppelvajra in Händen, sitzt auf einem herrlichen Harpyen-Thron und umfängt die göttliche Mutter Samayatara von Angesicht zu Angesicht. Er ist umgeben von den beiden [männlichen] Bodhisattvas Vajrapani und Avarananishkambhin und den beiden weiblichen Bodhisattvas Gandha und Nirtima, so daß aus der Licht-Sphäre und der Aureole das Wesen des Buddha sechsfach aufleuchtet. Die Urweisheit des vollendeten Wirkens, die als grünes Licht der geläuterten Konstituente der Gemütskräfte grün, strahlend, klar und leuchtend, funkelnd und furchterregend, geschmückt mit großen und kleinen Lichtkreisen, aus dem Herzen des göttlichen Vaters Amoghasiddhi und der göttlichen Mutter hervorbricht, trifft dich ins Herz. Und es ist deinem Auge kaum möglich, [dieses Licht] anzusehen. Davor fürchte dich nicht! Da dies die typische Kraft der Einsicht deiner ureigenen Geist-Natur ist, verharre in diesem erhabenen Zustand ohne Tun, in einem Gleichmut, der weder Begehren noch Zurückweisen, weder Nah noch Fern kennt! Zur selben Zeit wie die Lichtstrahlen der Urweisheit erscheint dir das rote Licht der Asura, das durch Neid bewirkt wurde und ohne Strahlen ist. Betrachte dabei Begehren und Haß in gleichmütiger Weise! Bist du jedoch von schwachem Gemüt, dann empfinde eben keine Freude darüber! Zu dieser Zeit wirst du, bedingt durch deinen starken Neid, durch dieses grüne Licht, das strahlend, glänzend ist, aufgeschreckt und du versuchst zu fliehen. Während du nach dem strahlenlosen, roten Licht der Asura verlangst und dich ihm zuneigst, sollst du zu dieser Zeit dich vor dem grünen Licht, dem strahlenden, funkelnden, klaren und durchsichtigen, nicht fürchten, sondern als die Urweisheit erkennen. Hierbei verharre gelassen in der Natur des Geistes, die ohne Tun ist und das [menschliche] Herz übersteigt.
Ferner bete voll Verehrung und Hingabe, indem du denkst: >Dies ist doch das Licht des Mitleids des Erhabenen Amoghasiddhi! Zu ihm nehme ich Zuflucht!< Und weil eben dieses Licht des Mitleids, das vom Erhabenen Amoghasiddhi ausgeht, wie ein Rettungshaken ist, den man die Urweisheit des vollendeten Wirkens nennt, darum verehre es! Fliehe es nicht! Selbst wenn du es fliehst, wird es mit dir untrennbar verbunden sein! Fürchte dich nicht davor! Verlange nicht nach dem roten Licht der Asura, dem strahlenlosen! Dies ist der unselige Weg des durch Neid und Geiz angesammelten Karma. Wenn du danach verlangst, wirst du an den Ort der Asura geraten und kaum erträgliches Leid an Kampf und Streit erdulden müssen. Dies ist ein Hindernis, das dich vom Weg zur Befreiung trennt, deswegen verlange nicht danach. Gib diese Neigung auf, begehre dieses Licht nicht! Das grüne Licht, das klare, strahlende, verehre hingebungsvoll und sprich dieses Gebet, indem du dich vollständig auf den Erhabenen Amoghasiddhi, den göttlichen Vater, und die göttliche Mutter konzentrierst!

‘Wehe! Da ich zur Zeit, getrieben durch starken Neid, in der Wandelwelt umherirren muß, bitte ich dich, Erhabener Amoghasiddhi, mich auf den lichten Pfad der Urweisheit des vollendeten Wirkens, auf den rechten Pfad zu führen! Die göttliche Mutter Samayatara möge mir dabei von hinten beistehen! Ich bitte Dich, errette mich aus dem abgründigen Pfad des schrecklichen Zwischenzustands und geleite mich zur vollkommen vollendeten Bhuddhaschaft!<

Da du mit diesen Worten hingebungsvoll mit Verehrung gebetet hast, gehst du ein in die Aureole um das Herz des Erhabenen Amoghasiddhi, des göttlichen Vaters, und der göttlichen Mutter. Und im Seligen Gefilde des Nordens, Vollendung des Tuns genannt, wirst du zu einem Buddha im Zustand vollkommenen spirituellen Mitteilens.«
Da [der Tote] auf den vielen Stufen jeweils zur Einsicht gebracht wurde, ist es unmöglich, daß er nicht befreit würde, wie schwach auch die [positive] Ausstrahlung seines Karma sein mag, auch wenn er die Unterweisung einmal nicht begriffen hätte, da er sie doch ein andermal erkennt.

 

Vision der fünf spirituellen Ordnungen

Doch selbst wenn man mehrfach so zur Einsicht gebracht wurde, wird man, wenn man sich nämlich seit langem in großem Ausmaß von den Neigungen leiten ließ, durch eben diese üblen Neigungen zurückgeführt, und zwar sogar auch dann, wenn man kraft der früher nicht gekannten Schau der Urweisheit [die Zusammenhänge] erkannt hat. Während man von dem einem Rettungshaken [gleichenden] Lichtstrahl des Mitleids nicht erfaßt wurde, empfindet man Angst und Schrecken vor dem Licht und den Strahlen und irrt nun tiefer hinab. So treten nun aber am sechsten Tag die göttlichen Väter und Mütter der fünf spirituellen Ordnungen zusammen mit ihrem Gefolge auf. Gleichzeitig damit erstrahlt auch das sechsfache Licht der sechs Daseinsbereiche.
Das Zur-Einsicht-Bringen: Den Toten rufe man bei seinem Namen und spreche:
»Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Als dir bis gestern die jeweiligen Visionen der fünf spirituellen Ordnungen erschienen, ließest du dich — obwohl du von mir zur
Einsicht gebracht wurdest — durch deine Neigungen in Angst und Schrecken versetzen. Deshalb bist du bis jetzt hier geblieben! Hättest du vorher die Strahlungen, die der Urweisheit der fünf spirituellen Ordnungen eigen sind, als deinen eigenen Widerschein erkannt, so wärest du bereits eingegangen in die Lichtaureole einer der Personen der fünf spirituellen Ordnungen und zu einem Buddha im Zustand vollkommenen spirituellen Mitteilens geworden. Da du dies aber nicht erkannt hast, mußt du bis jetzt umherirren! Nun aber schau zu, ohne zerstreut zu sein! Jetzt sind die vollkommenen Erscheinungen der fünf spirituellen Ordnungen, verbunden mit Erscheinungen von dem, was man die vier Urweisheiten nennt, gekommen, um dich zu empfangen. Dies erkenne doch!
Sohn der Edlen, das Licht der vier sublimierten Elemente, das vierfarbig ist, geht dir nun auf. Zu dieser Zeit erscheint dir im Seligen Gefilde der Mitte, Ausbreitung des Lichtpunktes genannt, der Erhabene Vairocana als göttlicher Vater-Mutter wie schon vorher. In dem Seligen Gefilde des Ostens, Hohes Glück genannt, erscheint dir der Buddha Vajrasattva als göttlicher Vater-Mutter samt seinem Gefolge. In dem Seligen Gefilde des Südens, das Glanzvolle genannt, erscheint dir der Buddha Ratnasambhava als göttlicher Vater-Mutter samt seinem Gefolge. In dem Seligen Gefilde des Westens, das Glückselige genannt, erscheint dir der Buddha Amitabha als göttlicher Vater-Mutter samt seinem Gefolge. In dem Seligen Gefilde des Nordens, die Vollendung des Tuns genannt, erscheint dir jetzt aus der Sphäre seiner Aureole heraus der Buddha Amoghasiddhi als göttlicher Vater-Mutter samt seinem Gefolge.
O Sohn der Edlen, außerhalb [des Kreises] der göttlichen Väter und Mütter der fünf spirituellen Ordnungen erscheinen dir nun die schrecklichen Torhüter: Vijaya (>Siegreicher<), Yamantaka (>Bezwinger Yamas<), Hayagriva (>Pferdnackiger<), Amrtakundali (Nektar-Wirbel) mit den weiblichen Torhütern: Ankusha, Pashi,, Shrnkhala, Ghanta und auch die sechs Seher, die Erhabenen: der Seher der Götter, der mächtige Indra; der Seher der Asura, Vemacitra; der Seher der Menschen, Shakyasimha; der Seher der Tiere, Dhruvasimha; der Seher der Hungergeister, Jvalamukha und der Seher der Höllenwesen, Dharmaraja. Auch der Samantabhadra und die Samantabhadrâ, die Ahnen aller Buddhas, erscheinen dir zu göttlichen Paaren geeint.
Diese zweiundvierzig [Wesen], die göttlichen Scharen im Zustand des spirituellen Mitteilens, treten aus deinem Herzen hervor. Und da sie dir erscheinen, steigen sie dir als die wahre Schau deiner selbst auf! Deshalb erkenne sie als solche! O Sohn der Edlen, diese Seligen Gefilde existieren nicht an einem anderen Ort, sondern ausschließlich im Raum deines Herzens, und da sie dem Inneren deines Herzens entsteigen, erscheinen sie dir [gleich von dir unabhängigen Wesen]. Auch diese göttlichen Wesen kommen nicht von irgendwo anders her, sondern sind seit Ewigkeit das ureigene Wirken deiner eigenen Geist-Natur. Deshalb erkenne sie doch als so beschaffen!
Sohn der Edlen, diese göttlichen Wesen sind weder groß noch klein, sondern wohlproportioniert, sie haben ihren Schmuck, ihr Aussehen, Farbe, Sitzhaltung, Thron und ihre jeweiligen Handhaltungen. Diese göttlichen Wesen sind auch als jeweils fünf Paare geschmückt, und jedes der fünf ist mit einem Kranz fünffarbigen Lichtes umgeben. Die männlichen Bodhisattvas der einzelnen spirituellen Ordnungen sind Zeugen des männlichen Aspektes, und die weiblichen Bodhisattvas der einzelnen spirituellen Ordnungen sind Zeugen des weiblichen Aspektes, und alle Mandalas erscheinen in vollkommener Weise zur selben Zeit. So erkenne doch, daß dies die göttlichen Personen der Yi-dams sind.
Sohn der Edlen, aus den Herzen der göttlichen Väter und Mütter dieser fünf spirituellen Ordnungen leuchten die vier Urweisheiten als Lichtstrahlen von hohem Glanz auf, und als ob sie mit Fäden von Sonnenlicht verwoben waren, dringen sie einzeln in dein Herz ein. So wirst du als erstes die aus dem Herzen Vairocanas aufscheinende Urweisheit der Sphäre des Seins-an-sich schauen, die, gleich eitler Hülle von schrecklichem Licht, strahlend und klar ‚auf alles, was mit deinem Herzen verbunden ist, niederscheint. In dieser Hülle von Glanz erscheinen weiße Lichtkreise und Strahlen, gleißend strahlend und leuchtend sind sie wie in einem umgedrehten Spiegel. Ferner sind sie geschmückt mit jeweils fünf Lichtkreisen, [die die wahre] Natur [des Seins enthüllen] und großen und kleinen Lichtkränzen, die jenseits aller Räumlichkeit sind. Aus dem Herzen Vajrasattvas wird dir auf einer hellblau strahlenden Hülle, nämlich der spiegelgleichen Urweisheit, ein hellblauer Lichtkreis erscheinen, der gleich einer umgestürzten Türkisschale mit großen und kleinen Lichtkreisen geschmückt ist. — Aus dem Herzen Ratnasambhavas werden dir auf einer Hülle von gelbem Glanz, nämlich der Urweisheit von der Gleichheit [aller Phänomene], gelbe Lichtkreise, gleich einer umgestürzten goldenen Schale, die mit großen und kleinen Lichtkreisen versehen ist, erscheinen. — Aus dem Herzen Amitabhas werden dir auf einer Hülle von rotem Glanz, nämlich der Urweisheit der Unterscheidung, rote, strahlende Lichtkreise erscheinen, die umgedrehten Schale aus Korallen gleichen, denen die Durchsichtigkeit der Urweisheit eignet. Diese [Lichtkreise] werden mit jeweils fünf äußerst klaren, funkelnden Lichtkreisen und mit großen und kleinen Lichtkreisen, die jenseits aller Räumlichkeit sind, geschmückt sein.
Diese [Gesichte] werden auf alles, was mit deinem Herzen verbunden ist, herableuchten. Sohn der Edlen, dies alles erscheint dir aufgrund des typischen Vermögens deiner eigenen Geist-Natur, denn es gibt dafür keinen anderen Ursprung. Deshalb hänge weder mit Begehren daran, noch fürchte dich davor! Verweile vielmehr gelassen in einem Zustand jenseits aller Begrifflichkeit. In diesem Zustand werden alle göttlichen Personen und alles Licht und Strahlen in dich eingehen, und du wirst Buddha werden!
Sohn der Edlen, das grüne Licht der Urweisheit des vollendeten Wirkens leuchtet dir noch nicht auf, da die Urweisheit deiner Geist-Natur noch nicht vollkommen entfaltet ist.
Sohn der Edlen, dies nennt man das gemeinsame Auf treten der vier Urweisheiten, und es wird der Pfad, der zum verborgenen Inneren von Vajrasattva führt, genannt. Zu dieser Zeit vergegenwärtige dir die Unterweisungen, mit denen dein Lama dir früher zur Einsicht verhalf! Wenn du dir den Sinn dieser Einsicht vergegenwärtigst, dann wirst du den vorher dir aufgestiegenen Erscheinungen vertrauen. Wie wenn Mutter und Kind einander treffen oder wie man einen Freund wiedertrifft, so wirst du zur Einsicht gelangen, und du wirst es ohne Zweifel tun. Da du die Erscheinungen deiner selbst als solche begreifst, erkennst du den unwandelbaren Pfad zum vollkommenen, lauteren Sein-an-sich. Und durch dein Vertrauen erwächst dir eine beständige Versenkung, so daß deine Geist-Natur eingeht in die vollkommensten und erhabensten göttlichen Personen [die dir erschienen sind], und du wirst unwiderruflich zu einem Buddha im Zustand vollkommenen spirituellen Mitteilens.

Sohn der Edlen, zusammen mit dem Licht der Urweisheit werden jedoch die unreinen trügerischen Erscheinungen der Lichter der sechs Daseinsbereiche auftreten. Wie denn? Das weiße strahlenlose Licht der Götter, das rote strahlenlose Licht der Asura, das blaue strahlenlose Licht der Menschen, das grüne strahlenlose Licht der Tiere, das gelbe strahlenlose Licht der Hungergeister und das rauchfarbene strahlenlose Licht der Höllenwesen. Diese sechs Arten von Licht leuchten eben gleichzeitig mit dem reinen Licht der [vier] Urweisheiten. Was für ein Licht du auch wahrnehmen nagst, trage kein Verlangen danach! Verharre gelassen in einem Zustand jenseits aller Wahrnehmungen! Wenn du jedoch vor dem Licht der reinen Urweisheit Angst und zu dem Licht der sechs unreinen Lebensbereiche Zuneigung empfindest, dann mußt du eine Verkörperung innerhalb dieser sechs Lebensbereiche annehmen, und du wirst wehklagen, weil die Zeit vertan ist, aus dem riesigen Ozean des Leidens, aus dieser Wandelwelt, dich zu befreien.
Sohn der Edlen, auch wenn du einer sein solltest, der durch die Unterweisung des Lama nicht zur Einsicht gelangte und vor dem Licht der vorher [wahrgenommenen] göttlichen Personen der reinen Urweisheit Angst und Schrecken empfand und der von dem Licht der unreinen Bereiche sich angezogen fühlt, so sollst du nun doch nicht so handeln, sondern den strahlenden, glänzenden Lichtern der reinen Urweisheit voll Verehrung und Hingabe dich zuwenden: >Das Mitleid der Erhabenen der fünf spirituellen Ordnungen, der Tathagatas, ist als dieses Licht gekommen, um mich mitleidsvoll zu leiten, zu ihm nehme ich Zuflucht!< Nach dem Licht der sechs trügerischen Bereiche des Lebens verlange nicht, begehre nicht danach, sondern sammle und konzentriere dich ganz auf die göttlichen Väter und Mütter der fünf spirituellen Ordnungen und sprich dieses Gebet:

>Wehe! Zur Zeit, da ich durch schreckliches Leid in der Wandelwelt umherirren muß, geleitet mich, Erhabene Buddhas der fünf Ordnungen, auf den rechten Weg, den Weg des hellen Lichtes, das verquickt ist mit den vier Urweisheiten! O Erhabene, göttliche Mütter der Fünf Ordnungen, steht mir von hinten bei! Ich flehe Euch an, rettet mich aus dem Lichtpfad der sechs unreinen Bereiche des Daseins! Führt mich aus dem schrecklichen, abgründigen Pfad des Zwischenzustands heraus und geleitet mich zu den fünf erhabenen Seligen Gefilden!«<

Hat man so gebetet, dann werden die Besten die Natur ihrer eigenen Erscheinungen erkennen und — in NichtZweiheit sich auflösend — Buddha werden. Auch die Mittelmäßigen werden, da sie durch ihre ehrfurchtsvolle Hingabe sich selbst erkennen, die Befreiung erlangen. Doch selbst die Geringsten werden durch die läuternde Kraft dieses Gebetes ihren Eintritt in einen der sechs Daseinsbereiche verhindern, und da sie den Sinn der vier untereinander verbundenen Urweisheiten erkannt haben, werden sie auf dem Weg zum verborgenen Inneren von Vajrasattva zum Buddha werden. Werden die Lebewesen klar und im einzelnen so zur Einsicht gebracht, dann werden die meisten diese auch erlangen, und viele werden die Befreiung finden.

 

Vision der wissensbewahrenden Mächte

Jedoch in dem allergeringsten von Menschen bewohnten Land können einige, die verblendet sind, da sie seit alters her keine Neigung zur Religion (Buddha-Lehre) haben oder da sie ihre religiösen Gelübde nicht beobachteten, durch die Täuschungen ihres Karma doch nicht zur Einsicht kommen, obwohl sie dazu angeleitet wurden. So müssen sie hinab irren. Am siebenten Tag kommen nun die göttlichen Scharen der Wissensbewahrer aus dem Seligen Gefilde Reiner Himmelswandel hervor, um [den Toten] zu empfangen. Zugleich aber kommt auch der Lichtpfad der Tiere, ihn zu empfangen, der bewirkt wurde durch die verblendete Unwissenheit seiner Taten.
Die Anleitung zur Einsicht für diese Zeit: Man rufe den Toten bei seinem Namen und spreche:
>Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Am siebenten Tag wird im Bereich deiner latenten Neigungen ein klares vielfarbiges Licht erscheinen. Zu dieser Zeit kommen die göttlichen Scharen der Bewahrer des Wissens aus dem Seligen Gefilde >Reiner Himmelswandels< um dich zu empfangen. In der Mitte eines Mandala, das von einer Regenbogen-Aureole umhüllt ist, erscheint dir der unübertreffliche Pemagargjiwangtschuk als völlig gereifter Wissensbewahrer. Sein Körper strahlt in den fünf Farben, und als göttliche Mutter hält er eine rote Dakini umfangen. Tanzend hält er ein Sichelmesser und eine Schädelschale voll Blut und sendet einen Bannblick zum Himmel. Im Osten dieses Mandalas erscheint dir ein Wissensbewahrer, Salanäpa (der >Auf der Erde Weilende<) genannt. Sein Körper ist von weißer Farbe, und lächelnd hält er eine weiße Dakini als göttliche Mutter umfangen. Tanzend hält er ein Sichelmesser und eine Schädelschale voll Blut und sendet einen Bannblick zum Himmel. Im Süden dieses Mandalas erscheint dir ein Wissensbewahrer, der Zelawangpa ( >der Lebensmächtige<) genannt wird. Sein Körper ist von gelber Farbe und schöner Wohlgestalt. Als göttliche Mutter halt er eine gelbe Dakini umfangen. Tanzend hält er ein Sichelmesser und eine Schädelschale voll Blut und sendet einen Bannblick zum Himmel. Im Westen dieses Mandalas erscheint ein Wissensbewahrer, Tschagjatschenpo genannt. Er ist von roter Körperfarbe und lächelt. Als göttliche Mutter hält er eine rote Dakini umfangen. Tanzend hält er ein Sichelmesser und eine Schädelschale voll Blut, und zum Himmel sendet er einen Bannblick. Im Norden dieses Mandalas erscheint ein Wissensbewahrer, Lhunggidupa< genannt. Er ist von grüner Körperfarbe und zeigt ein grimmiges Lächeln. Als göttliche Mutter hält er eine grüne Dakini umfangen. Tanzend hält er ein Sichelmesser und eine Schädelschale voll Blut, und gen Himmel sendet er einen Bannblick. Außerhalb des Kreises dieser Wissensbewahrer sind unzählige Scharen von Dakinis, wie die Dakinis der acht großen Leichenstätten, die Dakinis der vier spirituellen Ordnungen, die Dakinis der Dreiwelt, der zehn Himmelsrichtungen, der vierundzwanzig Pilgerorte, Heroen und Heroinnen, Krieger, Schützer der Buddha-Lehre samt ihren Wächtern. Sie alle tragen den sechsfachen Knochenschmuck und [führen] unzählige Musikinstrumente mit sich, wie Trommeln, Schenkelknochen-Trornpeten, Trommeln aus Schädelknochen, Banner aus Menschenhaut, Baldachine aus Menschenhaut, Bänder aus Menschenhaut, und Rauch von angesengtem Menschenfleisch [umgibt sie]. Damit füllen sie alle Bereiche des Universums aus, so daß es nach und nach ins Wanken und Beben gerät. Das Dröhnen dieser Musik ist so mächtig, daß einem schier der Kopf zerspringt. Auf verschiedene Art tanzend kommen [diese Scharen] herbei, die zu empfangen, die ihre Gelübde halten, und jene zu bestrafen, die diese verletzten.
O Sohn der Edlen, aus dem Bereich deiner üblen Neigungen wird dir die Urweisheit gemeinsamen Entstehens als ein fünffarbiges Licht, das ganz scheckig ist, wie aus bunten Fäden gewoben, blitzend und flackernd, klar und durchsichtig, strahlend und schrecklich aus den Herzen der fünf Hauptpersonen der Wissensbewahrer entgegenleuchten und dein Herz treffen, so daß es für deine Augen fast unerträglich sein wird. Gleichzeitig mit diesem Licht der Urweisheit wird dir das grüne, strahlenlose Licht der Tiere erscheinen.
Zu dieser Zeit wirst du kraft der Täuschungen deiner Neigungen vor dem fünffarbigen, strahlenden Licht Angst empfinden und es zu fliehen suchen, wogegen du zu dem strahlenlosen Licht der Tiere dich hingezogen fühlen wirst. Deshalb darfst du dich zu dieser Zeit nicht vor dem fünffarbigen, strahlenden und glänzenden Licht fürchten, darfst keine Angst haben, sondern mußt es als die Urweisheit erkennen. Aus dem Inneren des Lichtes ertönt der ureigene Laut der Wahrheit gleich tausendfachem Donnerhall. Mit gewaltigem Getöse donnert und heult es, hallt es wider von Kampfeslärm und dem machtvollen Schall gewaltiger Mantras. Davor habe keine Furcht! Fliehe nicht, habe keine Angst! Erkenne es als die ureigene Erscheinung deiner selbst, als das Vermögen deiner Geist-Natur! Zu dem grünen, strahlenlosen Licht der Tiere fühle dich nicht hingezogen, trage kein Verlangen danach! Solltest du jedoch davon angezogen werden, so fällst du in das Reich der unwissenden Tiere, und du wirst unendliches Leid durch Stumpfsinn, Dummheit und weil du [von Menschen] gesotten wirst, erfahren müssen. Und da es keine Möglichkeit gibt, hieraus zu entkommen, lasse dich davon nicht anziehen! Konzentriere dich vielmehr vollständig auf die göttlichen Scharen der Erhabenen Wissensbewahrer, auf die Meister, und verehre dieses fünffarbige, strahlende, funkelnde Licht und denke:
>Da doch die göttlichen Scharen der Wissensbewahrer, der Heroen und Dakini gekommen sind, mich in das Gefilde reinen, himmlischen Wandels zu geleiten, wendet eure Aufmerksamkeit jenen Lebewesen zu, die wie ich kein Verdienst gesammelt haben. Trotz des allzumal ausstrahlenden Lichtes des Mitleids aller Tathagatas und Buddhas der fünf spirituellen Ordnungen und aller drei Zeiten wurden diese elenden, gleich mir, nicht davon erfaßt. Ihr göttlichen Scharen der Wissensbewahrer, laßt mich von hier an nicht noch weiter hinabsteigen, sondern ergreift mich mit eurem Mitleid gleich wie mit einem Haken! Ich bitte euch, mich nur eilends in das Gefilde reinen, himmlischen Wandels zu geleiten!<
Gesammelten Sinnes konzentriere dich und sprich dieses Gebet:

>O ihr göttlichen Scharen der Wissensbewahrer, gedenket doch meiner und leitet mich liebevoll auf den [rechten) Pfad! Zur Zeit, da ich durch starke üble Neigungen in der Wandelwelt umherirre, geleitet mich, ihr Heroen und Wissensbewahrer, auf den lichten und klaren Pfad der Urweisheit gemeinsamen Entstehens, auf den [rechten] Pfad. Die göttlichen Mütter, die Dakinis, mögen mir von hinten beistehen! Errettet mich aus dem abgründigen Pfad des schrecklichen Zwischenzustands und geleitet mich in das Gefilde reinen himmlischen Wandels!<«

Hat man so mit Verehrung und Hingabe gebetet, verschmilzt man mit der Aureole, die aus dem Herzen der göttlichen Scharen der Wissensbewahrer hervortritt, und ohne Zweifel wird man im Gefilde himmlischen Wandels wiedergeboren. So sie dies erkennen, werden auch alle Arten von Gesches daraufhin sofort befreit, sogar diejenigen von ihnen, die üble Neigungen haben, werden gewiß befreit werden.
Bis hierher reicht die Anleitung der Großen Befreiung durch Hören, um das Urlicht im Zwischenzustand des Todes, und um den friedvollen Zwischenzustand des Wahren Seins zu erkennen.

 

4. Visionen der schreckenerregenden Mächte

Einleitung

Nun soll die Art und Weise dargelegt werden, wie der schreckliche Zwischenzustand erscheint. Ferner gibt es wie vorher im friedvollen Zwischenzustand sieben Abstufungen des abgründigen Pfades. Bei diesen wird der Reihe nach [dem Toten] zur Einsicht verholfen. Wenn er deshalb auch eine Stufe nicht erkennt, so kann er doch die Befreiung erlangen, wenn er auf der nachfolgenden Stufe zur Einsicht gelangt; das ist für ihn sehr nützlich. Obgleich auf diese Weise viele Möglichkeiten zur Befreiung bestehen, so gibt es doch zahllose Lebewesen, die durch schlechtes Karma in großer Menge, zahlreiche moralische Befleckungen, langwirkende latente Neigungen und das mechanisch sich fortsetzende Unwissen aufgerieben werden. Obwohl sie [ihre üblen Neigungen] nicht weiter vermehren und obwohl sie im einzelnen zur Einsicht gebracht werden, werden sie doch nicht befreit, sondern wandern noch tiefer hinab.
Nachdem es vorüber ist, daß die Scharen der Friedvollen, der Wissensbewahrer und der Dakinis ihn empfangen wollten, werden nun flammengleich die Scharen der bluttrinkenden, schrecklichen Götter, achtundfünfzig an der Zahl, erscheinen und zwar als die Verwandlungen der früheren Scharen friedvoller Götter. Doch nun ist [die Situation] nicht wie vorhin, denn da dies eben der Zwischenzustand der Schreckensgottheiten ist, wird [der Tote] von Furcht, Angst und Schrecken überwältigt. Daher wird es schwierig sein, [die Wahrheit] zu erkennen. Da der Geist seiner selbst nicht mehr mächtig ist, versinkt er in Ohnmacht und Schwindelzustände. Wenn er jedoch nur ein wenig zur Einsicht gelangt, kann er leicht die Befreiung erlangen.
Wieso denn? Weil der Geist keine Möglichkeit zur Zerstreuung hat, während [der Tote] Schrecken, Angst und Furcht erfährt, sondern er vielmehr voll gesammelt und konzentriert ist. Wenn man in dieser Situation die [früher gehörten] Unterweisungen sich nicht vergegenwärtigt, so ist alles, was man je gehört hat, und sei es einem Ozean gleich, nutzlos. Selbst Äbte, die die Mönchsregeln halten, und Lehrer der Philosophie werden in dieser Situation verwirrt und erkennen [die Wahrheit] nicht, sondern müssen wiederum in der Wandelwelt umherirren. Um wieviel mehr ergeht es erst den geringsten der Lebewesen so, denn da sie dem Schrecken, der Angst und Furcht zu entfliehen suchen, stürzen sie in den gähnenden Abgrund der üblen Daseinsbereiche und müssen leiden. Aber ein Yogi, der die tantrischen Lehren übt, auch wenn er einer der geringsten ist, wird, sobald er die göttlichen Scharen der Bluttrinker sieht, erkennen — gleich als ob er liebe Freunde träfe —daß sie die göttlichen Yi-dam sind, und ihnen voll vertrauen. In Identität mit ihnen geeint wird er Buddha. Hat man sich bereits in der Menschenwelt in die göttlichen Gestalten der Bluttrinker versenkt, ihnen Opferrituale (puja) und Lobpreisungen dargebracht, oder hat man zumindest von ihnen Statuen, Malereien oder Steinreliefs gesehen, so wird man sie erkennen, sobald ihre Gestalten erscheinen, und die Befreiung erlangen. Derart ist das Wesentliche [der folgenden Unterweisung].
Wiederum werden die Äbte, die die Mönchsregeln halten, und die Lehrer der Philosophie, wie sehr sie sich auch in der Menschenwelt um die Übung des Dharma bemüht haben, und wie gelehrt sie auch in der Darlegung des Dharma gewesen sein mögen, doch im Tode keine wunderbaren Zeichen wie Reliquien, Reliquienkügelchen oder Aureolen hervorbringen. Denn sie hielten zu ihren Lebzeiten die tantrischen Lehren nicht im Geiste fest, sondern verachteten sie. Eben weil sie mit den tantrischen Götterscharen nicht vertraut sind, können sie diese auch nicht erkennen, wenn sie im Zwischenzustand erscheinen. Was man früher nicht schon einmal gesehen hat, das erachtet man als feindlich, wenn man es plötzlich sieht. Und weil deshalb in diesen Leuten eine ablehnende Haltung entsteht, gelangen sie in die üblen Daseinsbereiche. Aus diesem Grund bringen diejenigen, die auf das bloße Einhalten der Mönchsregeln bedacht sind, und solche wie die Philosophen, so gute Anhänger der Buddha-Lehre sie auch sein mögen, keine solchen Zeichen, wie Mumien, Reliquienkügelchen oder Aureolen usw. hervor, denn sie haben keine Übung in den tantrischen Lehren. Jedoch der geringste der Tantriker, wie grob auch zeitweise sein Benehmen gewesen sein mag, wie ungebildet er auch war, wie wenig sein Lebenswandel den Moralregeln auch entsprach, ja, selbst wenn er unfähig war, die tantrischen Lehren in die Praxis umzusetzen, so hat er doch keine falsche Ansicht und keinen Zweifel über die tantrischen Lehren, sondern verehrt sie. Allein deshalb wird er in dieser Situation die Befreiung erlangen. Auch wenn er in der Menschenwelt keinen entsprechenden Lebenswandel führte, so zeigt er doch im Sterben die verschiedenen Zeichen wie eine Mumie, Reliquienkügelchen, göttliche Gestalten und Aureolen etc. So erweist sich der Segen der tantrischen Lehren. Jedoch mittelmäßige und die sie übertreffenden Yogis der tantrischen Lehren, die über Entfaltung und Vollendung [der göttlichen Personen] meditierten, die das Hauptmantra rezitierten usw., d. h. die [die tantrischen Lehren] praktizierten, brauchen vom Zwischenzustand des Wahren Seins aus nicht mehr weiter hinabzuwandern. Denn sobald ihr Atem versiegt ist, werden die Wissensbewahrer, Heroen, Dakini usw., sie in den Bereich des Reinen Himmlischen Wandels geleiten. Unter diesen Zeichen ist, daß der Himmel blank und rein wird, daß Regenbogen und Licht intensiv strahlen, daß Blumen herabregnen, Weihrauch duftet und aus dem Äther Musik erklingt, sowie daß [bei den Bestattungsfeierlichkeiten] Licht, Mumien, Reliquienkügelchen und göttliche Gestalten erscheinen. Dies sind die Zeichen! Aus diesem Grunde sind die, die sich bloß an die Mönchsregeln halten, die Lehrer der Philosophie und die Tantriker, die ihre Gelübde nicht bewahrten, sowie auch alle geringen Lebewesen ohne die Große Befreiung durch Hören ohne jedes Hilfsmittel. Die Mystiker jedoch, die über die Große Vollendung und das Große Siegel usw. meditierten, erkennen wahrlich das Urlicht im Zwischenzustand des Todes, so daß sie den Zustand des Wahren Seins erlangen und des Vorlesens der Großen Befreiung durch Hören nicht bedürfen.
Ferner: Wenn man im Zwischenzustand des Todes das Urlicht wahrlich erkennt, dann erlangt man den Zustand des Wahren Seins. Erkennt man im Zwischenzustand des Wahren Seins [die Wahrheit], zur Zeit, da die friedvollen und schrecklichen Erscheinungen auftreten, erreicht man den Zustand vollkommenen spirituellen Mitteilens. Erkennt man im Zwischenzustand des Werdens [die Wahrheit], erlangt man den Zustand des Wirkenden Seins, und man wird in paradiesischen Umständen wiedergeboren, wo sie dieser Lehre wiederbegegnen werden. Und da die günstigen Folgen des Karma im nächsten Leben eintreten, deshalb ist diese Befreiung durch Hören eine Lehre, die ohne Meditation zur Erleuchtung führt, eine Lehre, die durch bloßes Hören zur Befreiung führt, eine Lehre, die den Verblendeten auf den mystischen Weg führt, eine Lehre, die in einem einzigen Augenblick zur Einsicht verhilft. Sie ist eine so tiefsinnige Lehre, daß sie in einem einzigen Augenblick zur vollkommenen Erleuchtung führt. Es ist unmöglich, daß Lebewesen, die mit [dieser Lehre] vertraut sind, in üble Lebensbereiche gelangen. Da [der Lama] diese Befreiung durch Hören und [den Text] die Befreiung durch das Anbringen [von Amu1etten] liest, so gleicht dies einem goldenen Mandala, das mit Türkisen verziert ist. Deshalb soll man [beide Anweisungen] lesen:

Da nun auf diese Weise gezeigt wurde, wie dringend nötig die Befreiung durch Hören ist, soll man nun [dem Toten] zur Einsicht verhelfen, wie der Zwischenzustand der schrecklichen [Gottheiten] aufsteigt. Wiederum rufe man den Toten dreimal bei seinem Namen und spreche:



Kommentar
Der Zustand des Wahren Seins und des Seins-an-sich hat ebenso wie alle anderen vergänglichen und unvergänglichen Phänomene der diesseitigen wie auch der jenseitigen Welt teil an jenem nicht näher zu beschreibenden Mangel an Seinssubstanz. Diese Seinssubstanz wird in der buddhistischen Literatur als atman, bdag, »Ego« bezeichnet und meint den hinduistischen Begriff des Atman als eine unzerstörbare Substanz, die aus sich selbst besteht und in jedem Wesen präsent ist. Die Behauptung, daß eine solche Seinssubstanz besteht, ist — nach den buddhistischen Gelehrten — nicht beweisbar. Dieses Fehlen einer Seinssubstanz eines Atman nennt die buddhistische Literatur Leere (sunyata, tib. stong-pa-nyid). Diese Leere, das Fehlen an Seinssubstanz, zu erleben, zu erfahren, am eigenen Leib zu verspüren, ist Ziel und Aufgabe der buddhistischen Mystik. In der Verbalisierung ist das Fehlen an Seinssubstanz eigentlich nur negativ zu umschreiben, in dem alles umstürzenden mystischen Erleben zeigt sie sich jedoch als Fülle, als allesdurchdringendes Licht. Dieses ist von solch unerhörter Intensität, daß es für den gewöhnlichen Menschen unerträglich ist. Auch wenn sich die Buddhas in diesem gleißenden Licht offenbaren, können die meisten sie nicht erkennen, da der Glanz sie so sehr blendet. Das Wahre Sein, das Licht, das sich zuerst dem Toten offenbart, ist nicht für jedermann als die Pentade der Buddhas erkennbar, die meisten werden das Licht nicht zu deuten wissen, vor seinem Glanz nur Angst und Schrecken empfinden und es fliehen wollen.
Mit den nun aufsteigenden Visionen wird die Offenbarung des Seins sowohl schrecklicher, näher der gewohnten Erfahrung des Menschen, wie auch seinem eigentlichen Wesen weiter entrückt. Das Sein, das in seinem gleißenden Licht nicht erkannt werden konnte, teilt sich nun als existentiell erlebte Angst mit. Die Angst wird durch verschiedene schreckenerregende Gestalten hervorgerufen. In Parallele zu den fünf Buddhas steigen nun die fünf Herukas auf. Diese sind nicht neue Wesenheiten. sondern nur eine andere Art der Offenbarung derselben Mächte, die in den lichterfüllten Buddhas sich kundtaten. Die Herukas tragen daher die gleichen Embleme wie die fünf Buddhas, obwohl ihr Aussehen die Sinne des Toten zum Erstarren bringt, so entsetzlich sind sie anzusehen. So wie der Kreis der fünf Buddhas von den Wissensbewahrenden Mächten umgeben und beschützt wurde, so werden auch die Herukas von weiteren Wesen umgeben, die sie an Schrecklichkeit gar noch überbieten, wenn dies möglich ist. Unter diesen Wesen ragen die acht Ma-mo hervor. Betrachtet man diese Gruppe von Gottheiten religionshistorisch im Zusammenhang mit der tibetischen Volksreligion, dann sind sie erdgebundene Geister, die der präbuddhistischen bäuerlichen Schicht der tibetischen Kultur zuzuordnen sind (E. Neumaier: Matarah und Ma-mo, Studien zur Mythologie des Lamaismus. München 1966, S. 19 ff.). Im Rahmen des esoterischen Buddhismus in Tibet erhielten sie jedoch eine Bedeutung, die der anderer weiblicher Gottheiten nicht unähnlich ist. In der Gefolgschaft von Chemchog Heruka bezeichnen sie die acht Arten von Bewußtsein, nämlich die im Buddhismus üblichen sechs Sinnesbewußtsein (die fünf westlichen Sinne und das Denkbewußtsein) sowie ein individuelles Geist-Bewußtsein (manovijnana) und ein über-individuelles Geist-Prinzip, das die tibetischen Texte »universale Grundlage« (kun-gzhi) nennen. Der im Westen besser bekannte Begriff des »Schatzkammer-Bewußtseins« (alayavijnana) zielt wohl in die gleiche Richtung, ist aber nicht identisch damit. Ein tibetischer Kommentar zu einem Tantra, das Che-mchog Heruka in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt, erklärt eindeutig, daß in diesem Zusammenhang die acht Ma-mo keine Geister sind, sondern Personifikationen bestimmter Aspekte des Bewußtseins (vgl. E. Neumaier: Das rang-byung rang-shar ein rDzogs-chen Tantra. ZDMG 1970, S. 156).
Liest man die nachfolgenden Kapitel des Bardo-thödol und läßt sie auf sich wirken, dann ist man erstaunt über den totalen Umsturz in der Art der Offenbarung der Leere. Zuerst das gleißende, allesdurchdringende Licht und dann das Grauen, das das Blut gerinnen lassen kann. Immer schon wurde das Göttliche, das in vielen Religionen jenen Platz einnimmt, der im Buddhismus der Leere zukommt, auch als das ganz Andere gesehen (R. Otto: Das Ganz-andere in außerchristlicher und christlicher Theologie. In: Das Gefühl des Überweltlichen,, 1932, 5. 212 ff.). Die unio mystica wurde stets als ein Ereignis beschrieben, das neben unsagbaren Wonnen ein existentielles Betroffensein auslöst, das den Menschen so tief erschüttert, daß er in Angst und Schrecken gerät, als ob sein Dasein ausgelöscht werden sollte ob der Gewalt des Seins. So konkret die Herukas und ihre Begleiter geschildert werden mögen, stets muß man sich vergegenwärtigen daß sie nur Symbole sind, Schaubilder, die ein an sich unaussprechbares Urerlebnis formulieren wollen.
Gegen Ende spricht das Bardo-thödol davon, daß durch die Angst der Tote besonders aufmerksam sei. Dies scheint fürs erste widersprüchlich zu sein, aber wer hat nicht schon erlebt, welch ungeahnte Kräfte in höchster Angst und Bedrängnis einem erwachsen? Der Tote erlebt im Zwischenzustand eine Wiederholung der Weltenwerdung: Erst ergießt sich das Sein als Licht, zeigt dann seine Schrecklichkeit, und schließlich treibt Angst und Kleinmut den Toten in einen Schlupfwinkel, den Mutterschoß. Erkennt daher der Tote nicht die wahre Natur der Erscheinungen, dann gerät er immer tiefer in die Wirbel der Emanationen der Leere, wobei die Bilder immer menschlicher werden, und damit das Schicksal der Wiedergeburt unausweichlich.

 

Vision des Buddha Heruka

»Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Da du nicht zur Einsicht gelangtest, als vorher dir der friedvolle Zwischenzustand aufstieg, mußtest du nun bis hierher wandern. Nun werden dir am achten Tag die göttlichen Scharen der schrecklichen Bluttrinker aufsteigen. Sei nicht zerstreut, sondern erkenne sie doch in Wahrheit!
Sohn der Edlen, dir wird nun erscheinen, was als der Glanzvolle Buddha-Heruka bekannt ist. Er ist von dunkelbrauner Körperfarbe, hat drei Häupter, sechs Arme und vier Beine. Das rechte Antlitz ist weiß, das linke rot und das mittlere dunkelbraun. Sein Leib strahlt als eine Masse von Licht. Seine neun Augen schauen mit einem furchterregenden Blick in deine Augen; seine Augenbrauen zucken wie Blitze; seine Eckzähne blitzen wie Kupfer. >A-la-la< und >ha-ha< dröhnt sein lautes Gelächter. Ein zischendes Geräusch, wie >sha-u< gibt er von sich. Sein gelb-rotes Haupthaar sträubt sich empor wie Flammen. Sonne und Mond sowie Totenschädel krönen seine Häupter. Schwarze Schlangen und frische Schädel zieren seinen Leib. Von seinen sechs Armen hält die rechte erste Hand ein Rad, die mittlere eine Streitaxt, die letzte ein Schwert, und von den linken Armen hält die erste Hand eine Glocke, die mittlere eine Schale und die letzte eine Pflugschar. Die göttliche Mutter Buddha-Krodheshvari umschlingt den Leib des göttlichen Vaters, und ihre Rechte umarmt den Nacken des göttlichen Vaters, wogegen ihre Linke eine Schädelschale voll Blut seinem Munde darreicht. Er stößt kehlige Laute aus, grelle Schreie und gleich Donner grollende Töne. Seine Körperhaare, eigentlich lodernde Vajras, sind gesträubt, und Flammen der Urweisheit umzucken ihn. Auf einem von Garuda gestützten Thron steht er mit einem gestreckten und einem abgewinkelten [Beinpaar]. Aus der Mitte deines eigenen Hirns entsteigt [dieser Buddha-Heruka] und erscheint vor dir in eben dieser Art. Fürchte ihn nicht, habe keine Angst vor ihm! Erkenne in ihm doch das Wesen deiner Geist—Natur! Da er dein göttlicher Yi-dam ist, fürchte ihn nicht! Da [dieser Buddha—Heruka] in Wahrheit der erhabene Vairocana, als göttliches Paar, ist, habe keine Angst! Wenn du dies wahrlich erkennst, wirst du im selben Augenblick befreit!«


Vision des Vajra-Heruka

Da dies ausgesprochen wird, wird der Tote die Erscheinung als seinen göttlichen Yi—dam erkennen und mit ihm eins werden. Damit wird er zum Seinszustand vollkommenen spirituellen Mitteilens erwachen. Erhebt sich in ihm jedoch Abscheu und Angst und trachtet er zu fliehen, dann wird er [die Wahrheit] nicht erkennen, und so kommen am neunten Tag die bluttrinkenden Gottheiten der Vajra-Ordnung, um ihn zu empfangen. Deshalb gilt es, ihm zur Einsicht zu verhelfen: Man rufe den Toten bei seinem Namen und spreche:

»Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Am neunten Tag erscheint dir der, den man den Erhabenen Vajra-Heruka aus der Vajra-Ordnung der bluttrinkend Gottheiten nennt. Er ist von blauschwarzer Körperfarbe, hat drei Häupter, sechs Arme und vier gespreizte Beine. Das rechte Haupt ist weiß, das linke rot, das mittlere bläulich. In der ersten der rechten Hände hält er einen Vajra, in der mittleren eine Schale und in der letzten eine Streitaxt. In der ersten der linken Hände hält er eine Glocke, in der mittleren eine Schale, und in der letzten eine Pflugschar. Die göttliche Mutter Vajra-Krodheshvari umfaßt den Leib des göttlichen Vaters, ihre Rechte umschlingt seinen Hals, während ihre Linke seinem Munde eine Schädelschale voll Blut darreicht. Diese [Erscheinung] tritt aus dem östlichen Teil deines Gehirns hervor, so daß sie dir vor Augen steht. Habe keine Angst davor, fürchte dich nicht, wehre ihr nicht! Erkenne doch in ihr das Wesen deiner Geist-Natur! Da dies doch dein göttlicher Yi—dam ist, fürchte ihn nicht! In Wahrheit ist es doch der Erhabene Vajrasattva, als Paar zusammen mit der göttlichen Mutter, deshalb verehre sie mit Inbrunst! Wenn du sie wahrlich erkennst, wirst du gleichzeitig die Befreiung erlangen!«
Aufgrund dieser Worte wird der Tote die Erscheinungen als seinen göttlichen Yi-dam erkennen und mit ihm in eins verschmelzen. Damit wird er zu einem Buddha im Zustand vollkommenen, spirituellen Mitteilens.

 

Vision des Ratna-Heruka

Erwächst in ihm jedoch wiederum Ablehnung und Angst aufgrund der großen Verblendung seines Karmas und sucht er zu fliehen, dann gelangt er nicht zur Einsicht. Wiederum kommen die bluttrinkenden Götter der Ratna-Ordnung am zehnten Tage herbei, um ihn zu empfangen. Deshalb gilt es wiederum, ihm zur Einsicht zu verhelfen. Man rufe den Toten bei seinem Namen und spreche:
»Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Am zehnten Tag erscheint dir der, den man den Erhabenen RatnaHeruka aus der Ratna-Ordnung der bluttrinkenden Gottheiten nennt. Seine Körperfarbe ist dunkelgelb. Er hat drei Häupter, sechs Arme und vier gespreizte Beine. Das rechte [Haupt] ist weiß, das linke rot, das mittlere dunkelgelb flammend. Von seinen sechs Händen hält die erste Rechte ein Juwel, die mittlere einen Khatvanga, die letzte eine Keule; die erste der Linken hält eine Glocke, die mittlere eine Schale und die letzte einen Dreizack. Die göttliche Mutter Ratna-Krodheshvari umfaßt den Leib des göttlichen Vaters, und ihre Rechte umschlingt seinen Nacken, während ihre Linke seinem Mund eine Schädelschale voll Blut darbietet. Diese [Erscheinung] steigt aus dem südlichen Teil deines eigenen Gehirns auf, deshalb fürchte sie nicht, habe keine Angst davor, wehre dich ihrer nicht! Erkenne doch, daß in ihr das Wesen deiner Geist-Natur ist! Da es doch dein göttlicher Yi-dam ist, fürchte ihn nicht! Da es doch in Wahrheit der Erhabene Ratnasambhava ist, mit der göttlichen Mutter zum Paar geeint, verehre sie voll Inbrunst! Erkennst du dies wahrlich, dann erlangst du zur gleichen Zeit die Befreiung!«
Da dies gesprochen wird, wird der Tote die Erscheinung als seinen göttlichen Yi-dam erkennen, in eins mit ihm verschmelzen und ein Buddha werden.


Vision des Padma-Heruka

Wenn er jedoch wegen seiner üblen Neigungen weiter fortgerissen wird, obwohl ihm zur Einsicht verholfen wurde, und in ihm Ablehnung und Angst entstehen, so daß er [die Erscheinungen] fliehen will, dann kann er sie nicht als seinen göttlichen Yi-dam erkennen. Und wenn er den Todesgott Yama erblickt, kann er ihn nicht erkennen. So erscheinen denn auch am elften Tag die bluttrinkenden Gottheiten der Padma-Ordnung, um ihn zu empfangen. Deshalb soll man ihm wiederum zur Einsicht verhelfen: Man rufe den Toten bei seinem Namen und spreche:
»Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Am elften Tag erscheint dir der, den man den Erhabenen Padma-Heruka aus der Padma-Ordnung der bluttrinkenden Gottheiten nennt. Er ist von dunkelroter Körperfarbe, hat drei Häupter, sechs Arme und vier gespreizte Beine. Das rechte Haupt ist weiß, das linke blau, das mittlere dunkelrot. Von den sechs Händen hält die erste der Rechten einen Lotos, die mittlere einen Khatvanga, die letzte einen Stock, die erste der Linken eine Glocke, die mittlere eine Schale voll Blut, die letzte eine kleine Trommel. Die göttliche Mutter Padma-Krodheshari umfaßt seinen Leib, und während ihre Rechte seinen Hals umschlingt, reicht ihre Linke seinem Mund eine Muschelschale mit Blut dar. Der göttliche Vater, von Angesicht zu Angesicht mit der göttlichen Mutter vereint, tritt aus dem westlichen Bereich deines eigenen Gehirns hervor und erscheint dir so. Deshalb fürchte dich nicht davor, habe keine Angst, wehre ihm nicht, erinnere dich doch! Erkenne ihn doch als das Wesen deiner Geist-Natur! Da er doch dein göttlicher Yi-dam ist, habe keine Furcht vor ihm, habe keine Angst! In Wahrheit ist er der Erhabene Amitabha mit der göttlichen Mutter zum Paar vereint, verehre sie daher! Erkennst du dies wahrlich, dann erlangst du zur selben Zeit die Befreiung!« Bei diesen Worten wird [der Tote die Erscheinungen] als seinen göttlichen Yi-dam erkennen, mit ihm in eins verschmelzen und zu einem Buddha werden.


Vision des Karma-Heruka

Wenn er jedoch, obgleich ihm zur Einsicht verholfen wurde, eben wegen seiner üblen Neigungen weiter fortgerissen wird und in ihm Haß und Angst erwachsen, so daß er [die Erscheinungen] zu fliehen sucht, dann kann er [sie] nicht als seinen göttlichen Yi-dam erkennen. Deshalb kommen am zwölften Tag die göttlichen Scharen der Bluttrinker aus der Karma-Ordnung, sowie die Gaurima, Taminma, Wangtschukma, um ihn zu empfangen. Und während er [ihre wahre Natur] nicht erkennt, steigt Furcht in ihm auf. Deshalb verhelfe man ihm zur Einsicht. Man rufe den Toten bei seinem Namen und spreche:
»Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Zur Zeit, da nun der zwölfte Tag gekommen ist, erscheint dir nun der, den man den Karma-Heruka aus der Karma-Ordnung der bluttrinkenden Götter nennt. Er hat eine dunkelgrüne Körperfarbe, drei Häupter, sechs Arme, vier gespreizte Beine. Das rechte Haupt ist weiß, das linke rot, das mittlere dunkelgrün und von kampfgierigem Ausdruck. Von seinen sechs Händen hält die vorderste der Rechten ein Schwert, die mittlere einen Khatvanga, die hinterste einen Stock; die vorderste der Linken hält eine Glocke, die mittlere eine Schale, die hinterste eine Pflugschar. Die göttliche Mutter Karma-Krodheshari umfaßt den Leib des göttlichen Vaters, und während ihre Rechte seinen Hals umschlingt, bietet ihre Linke seinem Mund eine Muschelschale voll Blut dar. Von Angesicht zu Angesicht zum Paar vereint, treten sie unmittelbar aus dem nördlichen Teil deines Gehirns hervor und erscheinen dir. Davor habe keine Angst, fürchte dich nicht, wehre dich nicht! Erkenne doch, daß dies das Wesen deiner Geist-Natur ist. Da dies dein göttlicher Yi-dam ist, habe keine Furcht davor! Denn in Wahrheit sind [diese Erscheinungen] doch der Erhabene Amoghasiddhi zusammen mit der göttlichen Mutter als Paar vereint. Voll Verehrung und Inbrunst sehne dich danach! Das Erkennen und die Befreiung erfolgt sogleich!« Da dies gesprochen wird, wird [der Tote die Erscheinungen] als seinen göttlichen Yi-dam erkennen, mit ihm in eins verschmelzen und Buddha werden. Wenn man aufgrund der Unterweisung durch den Lama [diese Erscheinungen] als das ureigene Vermögen der eigenen Geist-Natur erkannt hat, dann ist dies, wie wenn man beispielsweise [von der Furcht] beim Anblick eines ausgestopften Löwen befreit würde. Wenn man nicht bedenkt, wie dieser ausgestopfte Löwe in Wahrheit beschaffen ist, dann befallen einen Furcht und Schrecken. Bringt aber ein anderer Mensch ihn zur Einsicht, wie es sich denn nun [wirklich] verhält, dann ist er sehr erstaunt und fürchtet sich nicht mehr. Ähnlich ist es, wenn die göttlichen Scharen der Bluttrinker mit mächtigen Leibern, groben Gliedern, so daß sie schier Himmel und Erde erfüllen, erscheinen und man darob in Angst und Schrecken versetzt wird. Sobald [der Lama] einem zur Einsicht verholfen hat, erkennt man [diese Erscheinungen] als Erscheinungen der eigenen [Natur] oder als die göttlichen Yi-dam und identifiziert das früher in der Meditation geschaute Urlicht — vergleichbar einer Mutter — mit dem, einem Kinde vergleichbaren, später erschienenen Urlicht, das in sich selbst besteht. Wie wenn ein Mensch einen alten Freund wiedertrifft, so wird man selbst befreit, wenn einem selbst [die Natur] dieses Selbst aufgeht: Dies ist die eigene Geist-Natur, das ureigene Licht, die ureigene Befreiung.

 

Vision der acht Ma-mo und anderer weiblicher Gottheiten

Verhilft einem jedoch niemand zur Einsicht, dann muß man, auch wenn man klug ist, wiederum zurückweichen und in der Wandelwelt umherirren. Dann werden die acht schrecklichen Gauri und Tamenma, deren Köpfe die verschiedensten Formen widerspiegeln, aus der Mitte des eigenen Gehirns hervor- und einem selbst entgegentreten. Deshalb nun die Hilfe zur Einsicht: Man rufe den Toten bei seinem Namen und spreche:
»Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Aus dem Inneren deines Gehirns kommen die acht Gauri Ma-mo hervor und treten als Erscheinungen dir gegenüber. Fürchte dich nicht vor ihnen. Aus dem östlichen Teil deines Gehirns tritt dir die weiße Gaurima entgegen. In der Rechten hält sie eine getrocknete Leiche als Keule, in der Linken eine Schale voll Blut. Fürchte dich nicht! Aus dem südlichen Teil [deines Gehirns] erscheint die gelbe Gauri, die einen Pfeil auf den Bogen eingelegt hält, Aus dem westlichen Teil erscheint die rote Tamo, die das Banner der Seeungeheuer trägt und aus dem nördlichen Teil die schwarze Vetali, die einen Vajra und eine mit Blut gefüllte Schale hält. Aus dem südöstlichen Teil erscheint die rot-gelbe Pukhasi, die in ihrer Rechten Gedärme hält und sie mit der Linken zum Munde führt. Aus dem südwestlichen Teil erscheint die dunkelgrüne Ghasmari, die mit der Linken eine mit Blut gefüllte Schale zum Munde führt, während die Rechte darin mit einem Vajra umrührt. Aus dem nordwestlichen Teil erscheint die gelbliche Candali, die einen Kopf vom Rumpf reißt, während sie mit der Rechten ein Herz hält und mit der Linken den Körper verschlingt. Aus dem nordöstlichen Teil erscheint die bläuliche Shmashani, die den Kopf einer Leiche vom Rumpf trennt und ihn verzehrt. Diese acht Gauri [Ma-mo] der Himmelsrichtungen umkreisen die fünf göttlichen Väter der Bluttrinker und entspringen doch deinem eigenen Gehirn und treten dir selbst als Erscheinungen entgegen‘! Fürchte dich nicht davor!
Sohn der Edlen, höre ohne Zerstreuung zu! Aus dem äußeren Kreis [des Gehirns] werden danach die acht Tamenma der Örtlichkeit hervorkommen und als Erscheinungen dir gegenübertreten. Aus dem Osten erscheint die dunkelblaue Simhamukha, die löwenköpfige. Beide Arme kreuzt sie vor der Brust, und im Munde trägt sie eine Leiche, während sie ihre Mähne schüttelt. Aus dem Süden erscheint die rote Vyaghrimukha, die tigerköpfige mit abwärts gerichteten Armen, starrem Blick und gebleckten Zähnen. Aus dem Westen erscheint die schwarze Shrngalamukha, die fuchsköpfige, in der Rechten ein Rasiermesser haltend und in der Linken Gedärme, die sie verschlingt, und dabei leckt sie Blut auf. Aus dem Norden erscheint die dunkelblaue Shvanamukha, die wolfsköpfige, mit beiden Händen hält sie eine Leiche im Mund und schaut starren Blicks darauf. Aus dem Südosten erscheint die weiß-gelbe Grdhramukha, die geierköpfige. Über der Schulter trägt sie eine Leiche, und in der Hand hält sie ein Skelett. Aus dem Südwesten erscheint die dunkelrote Kankamukha, mit dem Kopf eines Milan, eine Leiche auf der Schulter tragend. Aus dem Nordwesten erscheint die schwarze Kakamukha, die rabenköpfige. In der Linken hält sie eine Schädelschale, und in der Rechten schwingt sie ein Schwert, während sie Herz und Lunge verzehrt. Aus dem Nordosten erscheint die dunkelblaue Ulumukha, die eulenköpfige, in der Rechten einen Vajra haltend, in der Linken ein Schwert schwingend, während sie Fleisch verzehrt. Auch diese acht Tamenma der Örtlichkeit, die die fünf göttlichen Väter der Bluttrinker umkreisen, entspringen dem Inneren deines Gehirns und treten als Erscheinungen dir gegenüber. Fürchte dich nicht davor! Was immer dir auch erscheint, erkenne es doch als die Kraft deiner Geist-Natur, als die Erscheinung deiner selbst!
Sohn der Edlen, wenn nun die vier Torhüterinnen aus dem Inneren deines Gehirns hervortreten und dir als Erscheinung begegnen, dann erkenne doch [ihre Natur]! Aus dem östlichen Teil deines Gehirns tritt die weiße Ankusha, die pferdeköpfige, die in der Linken eine Schale voll Blut hält, hervor und erscheint dir. Aus dem südlichen Teil deines Gehirns tritt die gelbe Pagdongma, die schweinsköpfige, hervor, die eine Schlinge hält; aus dem Westen die rote Sengdongma, die löwenköpfige, die eine Eisenkette hält; aus dem Norden die grüne Düldongma, die schlangenköpfige, die eine Glocke hält. So entspringen die vier Torhüterinnen deinem eigenen Gehirn und begegnen dir als Erscheinungen. Erkenne doch, daß sie die göttlichen Yidam sind!
Sohn der Edlen, als äußerer Kreis um die dreißig schrecklichen Heruka-Gottheiten treten die achtundzwanzig“ machtvollen Gottheiten aus dem Inneren deines Gehirns hervor. Sie haben verschiedenförmige Köpfe und halten verschiedene Waffen in Händen. So begegnen sie dir als Erscheinungen. Habe keine Angst davor, denn was auch immer dir erscheinen mag, du mußt es als das Vermögen deiner Geist-Natur, als die Erscheinung deiner selbst erkennen! Jetzt ist die Zeit gekommen, um das Wichtigste zu verhindern [nämlich den Eintritt in eine neue Geburt], deshalb vergegenwärtige dir die Unterweisung deines Lama!
Sohn der Edlen, aus dem Osten erscheint die dunkelblaue Rakshasi mit einem Yak-Kopf, in der Hand einen Vajra haltend; und die rotgelbe Brahmi mit einem Schlangenkopf und einem Lotos in der Hand, die dunkelgrüne Mahädevi mit einem Leopardenkopf und einen Dreizack in der Hand; die blaue Vaishnavi mit einem Wieselkopf und einem Rad in der Hand; die rote Kumari mit dem Kopf eines Schneebären und einer Lanze in der Hand; die weiße Indrani mit einem Bärenkopf und einer Schlinge von Gedärmen in der Hand. So entspringen aus dem Inneren deines Gehirns die sechs Yogini des Ostens und treten als Erscheinungen dir gegenüber. Habe keine Angst vor ihnen! Sohn der Edlen, aus dem Süden erscheint die gelbe Vajri mit einem Schweinskopf und einem Rasiermesser in der Hand; die rote Shanti mit dem Kopf eines Seeungeheuers und einer Flasche geweihten Wassers in der Hand; die rote Amrta mit dem Kopf eines Skorpions und einem Lotos in der Hand; die weiße Candra mit einem Falkenkopf und einem Vajra in der Hand; die dunkelgrüne Danda mit einem Fuchskopf und einem Stock in der Hand; die dunkelgelbe Rakshasi mit einem Tigerkopf und einer Schädelschale voll Blut in der Hand. So entspringen aus dem Inneren deines Gehirns die sechs Yogini des Südens und erscheinen dir! Habe keine Angst vor ihnen!
Sohn der Edlen, aus dem Westen erscheinen die dunkel-grüne Verschlingerin mit einem Geierkopf und einer Keule in der Hand; die rote Feurige mit einem Pferdekopf und einem Rumpf in der Hand; die weiße Kraftvolle mit einem Garuda-Kopf und einem Stock in der Hand; die rote Rakshasi mit dem Hundekopf und einem Vajra-Hackmesser in der Hand, womit sie [Leichen] zerteilt; die rote Begehrliche mit dem Kopf eines Wiedehopfs und in der Hand schußbereit Pfeil und Bogen haltend; die rot-grüne JuwelenSchützerin mit dem Hirschkopf und einer Flasche für geweihtes Wasser in der Hand. Aus dem Inneren deines Gehirns entspringen diese sechs Yogini des Westens und erscheinen vor dir. Vor ihnen fürchte dich nicht!
Sohn der Edlen, aus dem Norden erscheinen dir die blaue Vayudevi (Windgöttin) mit dem Wolfskopf in der Hand und eine Flagge schwenkend; die rote Nari mit dem Kopf eines Steinbocks und einem Pfahl in der Hand; die schwarze Varahi (Wildsau) mit dem Schweinskopf und einer Schlinge aus Fangzähnen in der Hand; die rote Vajri mit einem Krähenkopf und einer Kinderleiche in der Hand; die dunkelgrüne Großnasige mit dem Elefantenkopf und in der Hand eine große Leiche haltend, deren Blut sie schlürft; die blaue Wassergöttin mit dem Schlangenkopf und in der Rand eine Schlinge aus Schlangenkörpern. Diese sechs Yoginis des Nordens entspringen dem Inneren deines Gehirns und erscheinen vor dir. Habe keine Angst vor ihnen!
Sohn der Edlen, diese Yoginis, die die Vier Tore [des Mandalas, das sich im Gehirn befindet] bewachen, sind eben dem Inneren deines Gehirns entsprungen und erscheinen vor dir. Aus dem Osten erscheint die weiße Vajri mit dem Kopf eines Kuckucks und einem Rettungshaken in der Hand; aus dem Süden die gelbe Vajri mit dem Ziegenkopf und einer Schlinge in der Hand; aus dem Westen die rote Vajri mit dem Löwenkopf und einer Eisenkette in der Hand; aus dem Norden die dunkelgrüne Vajri mit dem Schlangenkopf und einer Glocke in der Hand. Diese vier Torhüterinnen, die Yoginis, entspringen dem Inneren deines Gehirns und erscheinen vor dir. Erkenne doch, daß diese achtundzwanzig machtvollen Gottheiten wie auch die schrecklichen Herukas kraft ihrer spontanen Persönlichkeit dir als Erscheinungen aufgehen.
Sohn der Edlen, das Wahre Sein wird für dich in den friedvollen göttlichen Wesenheiten sichtbar, da sie teil an der Leere haben. Dies erkenne doch!
Der Seinszustand spirituellen Mitteilens wird aus seiner Teilhabe an der Lichthaftigkeit [aller Phänomene] als die göttlichen Wesenheiten des Schreckens sichtbar, deshalb erkenne dies doch! Wenn die göttlichen Scharen der achtundfünfzig Bluttrinker aus dem Inneren deines Gehirns entspringen und vor dir erscheinen und du zu dieser Zeit erkennst, daß alles, was immer dir erscheint, eben darin sichtbar wird aufgrund der ureigenen Ausstrahlung deiner inneren Geist-Natur, dann wirst du just in diesem Augenblick eins mit der Schar dieser Bluttrinker und ein Buddha.«

 

Abschließende Anweisungen

»Wenn du aber nicht in dieser Weise zur Einsicht gelangst, sondern Angst vor diesen Erscheinungen hast und sie zu fliehen suchst, dann wird das Leid sich erneut verstärken, und du mußt [weiter] hinab wandern. Wenn du also nicht zur Einsicht gelangt bist, dann wirst du alle göttlichen Scharen der Bluttrinker als den [Todesgott] Yarna erblicken und vor den Göttern der Bluttrinker Angst haben, Furcht und Schrecken empfinden, von Sinnen kommen. Deine eigenen Erscheinungen werden dir zu einem Teufel (Mara), und du mußt weiter in der Wandelwelt umherirren. Hast du jedoch keine Furcht oder Angst, dann brauchst du nicht in der Wandelwelt umherirren.
Sohn der Edlen, auch wenn die größten der friedvollen sowie der schrecklichen Gestalten so hoch und weit wie der Himmel, die mittleren gleich dem Weltberg Meru und die kleinsten sogar achtzehnmal größer als dein eigener Körper sind, so habe doch keine Angst vor ihnen! Alle Phänomene, wie immer sie beschaffen sind, werden dir als Licht und göttliche Personen erscheinen. Erkennst du, daß alle Phänomene, die dir als Licht und göttliche Personen erscheinen, die ureigene Ausstrahlung deiner eigenen Geist-Natur sind, dann wird diese ureigene Ausstrahlung, das ureigene Licht und die göttlichen Personen in eins verschmelzen, und du bist Buddha.
O Sohn, erkenne doch, daß alle Phänomene, die du wahrnimmst, auch wenn dich Furcht, Angst und Schrecken ankommen eine Erscheinung deiner selbst sind! Erkenne doch das Licht als die ureigene Ausstrahlung deiner Geist-Natur! Wenn du auf diese Weise zur Einsicht gelangst, dann wirst du ohne allen Zweifel zur selben Zeit erleuchtet. In einem einzigen Augenblick wird man Buddha sein! So heißt es, und es wird nun geschehen! Vergegenwärtige dir dies!
Sohn der Edlen, wenn du dies nicht selbst erkennst, sondern dich fürchtest, dann werden die friedvollen göttlichen Gestalten dir als die Person des schwarzen Schützers (Mahakala) erscheinen. Die göttlichen Gestalten der Schrecklichen allesamt werden dir als die Gestalt des Gesetzeskönigs Yama (des Todesgottes) erscheinen. So werden deine eigenen Erscheinungen für dich zu einem Teufel (Mara), und du mußt in der Wandelwelt umherirren.
Sohn der Edlen, wenn du deine eigenen Erscheinungen nicht als solche wahrlich erkennst, wirst du kein Buddha, auch wenn du alle Verkündigungen, Sutren und Tantras kennst und während eines ganzen Weltzeitalters den Dharma übtest. Wenn du aber [die Natur] deiner eigenen Erscheinungen erkennst, dann wirst du auf der Stelle in einem Augenblick Buddha. Wenn du aber deine eigenen Erscheinungen nicht erkennst, dann wird, kaum daß du gestorben bist, die Gestalt des Gesetzeskönigs, nämlich Yama, der Todesgott, bereits im Zwischenzustand des Wahren Seins erscheinen. Die größten Gestalten des Gesetzeskönigs Yama sind dem Himmel vergleichbar, die mittleren sind gleich dem Berg Meru, der die ganze Welt erfüllt. So erscheinen sie: Mit bleckenden Zähnen beißen sie auf ihre Lippen; ihr Blick ist wie von Glas; ihr Haar ist am Scheitel .aufgebunden; ihre Bäuche sind dick, ihr Hals dünn; in der Hand schwingen sie den Kerbstock und mit Schreien wie >Schlage! Töte< schlürfen sie das Gehirn [der Gerichteten], trennen die Köpfe vom Rumpf und reißen die Eingeweide heraus. So füllen sie die Welt aus. Sohn der Edlen, wenn die Zeit kommt, da dir solches erscheint, dann habe weder Angst noch Furcht! Da du ein Geist-Wesen bist, das durch seine latenten Neigungen [bestimmt ist], kannst du nicht wirklich sterben, auch wenn du getötet oder zerhackt werden solltest. In Wahrheit besteht deine Gestalt in der Leere, so daß du dich nicht zu ängstigen oder zu fürchten brauchst. Denn da auch alle Gestalten des Todesgottes die eigene Ausstrahlung deiner ureigenen Geist-Natur sind, ist nichts an ihnen, was aus Materie gewirkt wäre. Denn Leere kann der Leere nichts anhaben! Es gibt eine [unumstößliche] Tatsache, daß nur im Kraftfeld deiner Geist-Natur die äußerlich Friedvollen, Schrecklichen, die Bluttrinker, die mit verschiedenen Köpfen, die Aureolen, die schrecklichen Gestalten des Todesgottes etc. erscheinen, aber jeder Substanz entbehren. Wenn du dies erkennst, dann ist der Angst und Furcht jeder Boden entzogen, und du wirst [mit dem Urgrund des Seins] in eins verschmelzen und ein Buddha werden. Wenn du dies erkennst, dann sind die [Erscheinungen] eben die göttlichen Yi-dam. Voll Verehrung und Hingabe denke: >Sie sind gekommen, um mich aus den abgründigen Pfaden des Zwischenzustands zu geleiten. Zu ihnen nehme ich Zuflucht!< Vergegenwärtige dir die Drei Kostbarkeiten! Was auch immer die Yi-dam sein mögen, vergegenwärtige sie dir! Rufe sie beim Namen! Flehe sie an: Kostbare, göttliche Yi-dam! Während ich im Zwischenzustand umherirren muß, helft mir doch! Habt Mitleid mit mir!< Rufe deinen Lama beim Namen und flehe ihn an: >Während ich im Zwischenzustand umherirren muß, hilf mir doch! Laß nicht nach in deinem Mitleid!< Die göttlichen Scharen der Bluttrinker flehe voll Verehrung an und sprich dieses Gebet:

»Wehe! Zur Zeit, da ich aufgrund der Menge meiner üblen Neigungen im Zwischenzustand umherirren muß, mögt ihr, göttliche Scharen der friedvollen und bluttrinkenden Wesenheiten, mich auf den rechten Weg, den Weg zum Lichte führen, der alle Angst, Schrecken und Entsetzen vertreibt! Die Scharen der schrecklichen Göttinnen, die Herrinnen der Sphäre [des Wahren Seins] mögen mir von hinten beistehen! Ich flehe euch an, mich aus dem abgründigen Pfad des schrecklichen Zwischenzustands zu erretten und mich zum Zustand eines wahnein, vollendeten Buddhas zu geleiten! Meiner lieben Freunde beraubt, muß ich einsam umherirren. Zur Zeit, da mir die leeren Spiegelbilder meiner eigenen Erscheinungen aufsteigen, möge durch das überfließende Mitleid der Buddhas Angst und Schrecken im furchtbaren Zwischenzustand nicht aufkommen. Da das reine Licht der Urweisheit fünffach erstrahlt, möge ich selbst ohne Furcht und Schrecken zur Einsicht gelangen! Da die Bilder der friedvollen und schrecklichen Wesenheiten mir erscheinen, möge ich, vertrauensvoll und ohne Furcht, den Zwischenzustand erkennen. Da ich durch mein übles Karma Leid erfahren muß, mögen die göttlichen i>Yi-dam mir das Leid wegnehmen! Da der ureigene Schall des Seins-an-sich gleich tausendfachem Donner hallt, möge nur alles zum sechssilbigen Gebet sich wandeln! Da ich schutzlos nun meinem Karma folgen muß, bitte ich den Großen Mitleidsvollen (Avalokiteshara), mir Zuflucht zu sein! Da ich das Leid jener Taten, die durch meine üblen Neigungen bedingt wurden, erfahre, möge mir das Licht der Versenkung erscheinen. Die Bereiche der fünf Elemente mögen mir nicht feindlich sein, möge ich vielmehr die Seligen Gefilde der Buddhas der fünf spirituellen Ordnungen schauen!<

Mit diesen Worten bete voll Verehrung und Hingabe! Nachdem all dies Schreckliche und Furchtbare verschwunden ist, ist es von großer Wichtigkeit, daß du nicht zerstreut bist, da du doch ganz gewiß zu einem Buddha des vollkommenen spirituellen Mitteilens wirst.«
Dies erkläre man [dem Toten] an die drei- bis fünfmal. Wie schwer auch die Verblendungen, wie übel auch die Auswirkungen früheren Karmas sein mögen, so ist es doch unmöglich, dadurch nicht befreit zu werden. Wenn jedoch einige nicht zur Einsicht gelangen, obgleich so viel für sie getan wurde, dann müssen sie in den dritten Seinszustand, den des Werdens, wandern. Deshalb wird ihnen im einzelnen zur Einsicht verholfen. Im allgemeinen gilt, wie groß oder gering auch die religiöse Praxis früher gewesen sein mag, so kommt es doch häufig vor, daß man im Sterben zumindest etwas verwirrt wird. Dann gibt es ohne diese Befreiung durch Hören kein Hilfsmittel [zur Erlösung]. Wenn bei denen. die [zu Lebzeiten] viel meditiert haben, Geist und Körper sich trennen, dann gewinnen sie einen Zugang zum Sein-an-sich. Diejenigen, die zu Lebzeiten ihre innere Geist-Natur erkannt haben und über [entsprechend reiche] spirituelle Übung verfügen, werden eine große Kraft bekommen, wenn ihnen während des Zwischenzustands der Todesstunde das Urlicht erscheint. Aus diesem Grund ist die spirituelle Übung zu Lebzeiten äußerst wichtig. Auch denen, die zu Lebzeiten die Entfaltung und Vollendung der tantrischen Götter geübt haben, wird — zur Zeit des Zwischenzustands des Wahren Seins, da ihnen die friedvollen und schrecklichen Erscheinungen aufgehen — eine große Kraft erwachsen. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, daß man zu Lebzeiten diese Befreiung durch Hören im Zwischenzustand sich bewußt mache. Dies präge man sich ein, man beherrsche es und lese es wiederholt. In dieser Weise mache es dir bewußt. Zu keiner der drei Zeiten unterbreche man [diese Übung]. Auch wenn hundert Henker einen verfolgen, so soll man den Sinn dieser Worte nicht vergessen!
Da diese [Methode] doch die Große Befreiung durch Hören genannt wird, werden selbst jene, die die fünf üblen Maßlosigkeiten begangen haben, sicher die Befreiung erlangen, wenn diese mit ihren Ohren hören. Deshalb soll man dieses [Buch] inmitten der großen Bazaare lesen und es verbreiten. Auch wenn man es nur einmal gehört und die Bedeutung nicht verstanden hat, so wird man sich im Zwischenzustand daran erinnern, ohne auch nur ein einziges Wort zu vergessen, denn zu dieser Zeit ist der Geist viel wacher, so daß einem [alles] klar erscheint. Aus diesem Grunde soll man [diese Lehre] zu Lebzeiten den Ohren aller [Lebewesen] verkünden, an allen Krankenlagern soll man sie lesen, bei den Leichen aller Verstorbenen soll man sie lesen! Überall verbreite man sie! Begegnet man dieser Lehre, so ist dies ein gutes Geschick. Ihr zu begegnen, ist schwierig, außer für jene, die die üblen Verblendungen aufgeben und Verdienst angesammelt haben. Und wenn man ihr begegnet, dann ist sie schwer zu verstehen. Hat man sie vernommen, dann erwachsen einem hierüber keine falschen Ansichten mehr, und man wird allein dadurch befreit. Deshalb soll man sie hoch schätzen! Sie ist die Quintessenz aller Phänomene. Man ist befreit, schon allein dadurch, daß man die Unterweisung über den Zwischenzustand hört; man ist befreit schon allein, wenn man sie nur liest.

Dies ist das Ende der Unterweisung im Zwischenzustand des Wahren Seins, genannt Die große Befreiung durch Hören. Der Siddha Karmalingpa holte diesen Text aus dem Berg Gampodar hervor, nahe dem Ufer des Flusses Serdan (»Der Goldene«)

 

 

 

 

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