Sterbeprozess, Bardo und Wiedergeburt
entnommen aus dem Buch
"Über den Tod hinaus" von
Gesche Rabten,
Gelug-Tradition

Der
Sterbeprozess und die Erfahrung des Todes
Der Urstoff
der Festigkeit löst sich auf
Ratschläge für
den Umgang mit Sterbenden
Der Urstoff
der Feuchtigkeit löst sich auf
Der Urstoff der Wärme
löst sich auf
Der Urstoff des
Windes löst sich auf
Erfahrungen nach
dem Ende des Atmens
Der Zwischenzustand - Bardo
Wiedergeburt
Ratschläge bei Depressionen
Schlussbemerkung
Der Sterbeprozess
und die Erfahrung des Todes
Es gibt verschiedene
Arten des Sterbeprozesses. Ich will in meinen Erklärungen von
Todeserfahrungen absehen, die zum Beispiel dadurch zustande kommen, dass ein
Autofahrer einschläft. Statt dessen werde ich den langsamen, schrittweisen
Sterbeprozess beschreiben, wie er durch Krankheit oder hohes Alter
hervorgerufen wird.
Die vier Urstoffe Festigkeit, Flüssigkeit, Wärme und
Energie bilden, wie bereits erwähnt, die Basis für den Geist. Sie verlieren
im Sterbeprozess der Reihe nach ihre Kraft, dem Geist als Grundlage zu
dienen. Als erstes verliert der Urstoff der Festigkeit seine Kraft, den
Geist zu tragen, und entweicht. Es folgen stufenweise die Urstoffe der
Feuchtigkeit, der Wärme und der Energie.
Wie ich bereits betont habe:
Solange unser Geist und unser Körper kräftig und funktionstüchtig sind, ist
es am wichtigsten, nach bestem Vermögen Heilsames auszuführen. Und im
Prozess des Sterbens ist es das wichtigste, ununterbrochen an heilsamen
Gedanken festzuhalten, solange wir unsere Erinnerungsfähigkeit noch nicht
verloren haben.
Im folgenden beschreibe ich den Sterbeprozess einer Person,
die schwer erkrankt ist und mit medizinischen Mitteln nicht mehr geheilt
werden kann. Ihr Zustand verschlechtert sich täglich, und langsam tritt sie
in den Sterbeprozess ein. In einem solchen Fall ist dieser Vorgang recht gut
nachzuvollziehen. Hier im Westen ist es etwas schwieriger, diesen Prozess
tatsächlich zu beobachten; da westliche Spitäler bestens ausgestattet sind,
werden die meisten todkranken Menschen gleich dorthin gebracht. So sehen
lediglich Ärzte und Krankenschwestern, welche Veränderungen am Kranken im
Sterbeprozess auftreten. Allerdings interessiert sich das medizinische
Personal nicht weiter für Erklärungen dieses Prozesses, wie sie im Dharma
gegeben werden. Und diejenigen, die sich dafür interessieren, sehen die
Sterbenden nicht.
So ist es für uns vielleicht schon schwierig geworden,
diesen Prozess und seine äußeren Zeichen wirklich zu verstehen. Wenn man den
Kranken jedoch zu Hause behält und sich dort um ihn kümmert, kann man alle
Veränderungen im Sterbevorgang selbst beobachten. Man wird auch ein wenig
erfahren von den Beobachtungen, die der Sterbende selbst macht.
Wenn sich
der Zustand des Patienten zusehends verschlechtert und der Arzt seine
Hoffnungen aufgegeben hat, kommt ein Zeitpunkt, an dem der Urstoff der
Festigkeit die Kraft verliert, den Geist zu unterstützen.
Der Urstoff der
Festigkeit löst sich auf
Während dieser
Urstoff der Festigkeit schwindet, ist von außen zu beobachten, dass der
Kranke seine Fähigkeit verliert, sich zu bewegen. Sein Körper erschlafft und
liegt reglos da, wo man ihn hingelegt hat. Dreht man beispielsweise einen
Arm dieser Person etwas zur Seite, bleibt dieser Arm schlaff liegen.
Hat
sich ein Sterbender während seines Lebens auf positive Weise angestrengt,
wird er viele heilsame, wahrscheinlich aber auch einige unheilsame
Handlungen ausgeführt haben. Die Potentiale, die Eindrücke dieser Handlungen
sind alle noch im geistigen Kontinuum dieses Menschen vorhanden.
Es ist
ungefähr so, wie wenn Sie auf einem Acker eine Vielfalt von Samen gesät
haben - Weizensamen, Bohnensamen und so weiter. Diese bunt gemischten Samen
sind alle noch wohlbehalten unter der Erde aufbewahrt. Ähnlich verhält es
sich mit den Eindrücken, mit den Samen der verschiedenen Handlungen, die der
Sterbende durchgeführt hat. Sie alle sind noch unversehrt im Kontinuum
dieses Menschen enthalten.
Hat sich dieser Mensch zeit seines Lebens
intensiv mit Dharma beschäftigt, dann wird er im Angesicht des Todes sehr
vorsichtig mit seinen Gedanken umgehen. Er wird im Sterbeprozess versuchen,
möglichst heilsame Gedanken zu erzeugen. So wird er sich an bestimmte
Methoden erinnern, an Meditationsgottheiten oder an seinen religiösen
Lehrer, seinen Meister. Ärger und Wut sowie jegliche Art von Begierde wird
er um jeden Preis zu vermeiden suchen.
Ratschläge für den Umgang
mit Sterbenden
Wer auch
immer den Kranken umsorgt - es sollte eine Person sein, die für den
Sterbenden angenehm ist, die er gern hat. Unter keinen Umständen sollte es
jemand sein, der im Kranken Ärger auslöst, wenn er ihn bloß sieht - egal, ob
es sich dabei um einen bestimmten Pfleger, eine gewisse Krankenschwester
oder wen auch immer handelt. Es sollte also jemand sein, den der Sterbende
mag.
Diese fürsorgende Person sollte dem Sterbenden helfen, heilsamen
Gedanken zu folgen. Sie sollte ihn in sanfter Weise ermutigen, über heilsame
Objekte nachzudenken, mit denen sich der Sterbende während seines Lebens
vertraut gemacht hat, wie etwa über seinen Meister und so weiter. Der
Sterbende hat keinen kräftigen Geist mehr, seine Erinnerungsfähigkeit ist
nicht mehr stark. Die ermutigenden Worte der Betreuungsperson werden dem
Sterbenden helfen, seinen Geist auf heilsame Gedanken zu richten.
Warum sind
heilsame Gedanken im Sterbeprozess von so entscheidender Bedeutung? Der
Grund ist der folgende: Ähnlich wie Wasser und Dünger Samen zum Sprießen
bringen, helfen heilsame Gedanken im Sterbeprozess, die Eindrücke positiver
Handlungen zur Reife zu bringen. Wie gesagt, wird der Sterbende während
seines Lebens wahrscheinlich eine Vielzahl von heilsamen und unheilsamen
Handlungen ausgeführt haben. Durch heilsame Gedanken reifen im Sterbenden
zuerst die heilsamen Eindrücke heran, geben die heilsamen Eindrücke zuerst
ihr Resultat.
Kann der Sterbende seine Pflegeperson dagegen nicht ausstehen,
dann kommen wahrscheinlich nicht die heilsamen, sondern die unheilsamen
Potentiale des Sterbenden zur Reifung. Dasselbe kann passieren, wenn es rund
um den Sterbenden hektisch zugeht. Der Sterbende wird sich vielleicht
darüber empören, dass ihn so viel Lärm umgibt. Er wird sich fragen: Warum
machen die denn so einen Wirbel? Auch diese Verärgerung ruft im Sterbenden
seine negativen Potentiale wach. Vorhanden sind in seinem Geist beide,
heilsame wie unheilsame Eindrücke. Die heilsamen Eindrücke werden durch
heilsame Gedanken zur Reifung gebracht, die negativen Potentiale durch
unheilsame Gedanken.
Angenommen, der Sterbende hat keine sonderlich starken
heilsamen Eindrücke: Durch Unvorsichtigkeit können in dieser Person leicht
negative Gedanken aufkommen und leicht dazu führen, dass ihre wenigen
heilsamen Eindrücke beim Sterben nicht zur Reifung kommen. Diese heilsamen
Eindrücke werden weiterhin im Geist bleiben, vorerst werden aber die
negativen Eindrücke heranreifen. Wenn störende Einflüsse im Sterbenden Ärger
oder Hass aufkommen lassen, dann führt das dazu, dass in diesem
entscheidenden Augenblick die negativen Eindrücke zur Reifung kommen.
Dadurch ist es möglich, dass der Sterbende in seiner nächsten Existenz als
Tier oder irgendein anderes Wesen in elendem Dasein lebt.
So ist es nach
unserem Tod durchaus möglich, als Tier oder noch erbärmlicheres Wesen weiter
zu existieren. Wenn die richtigen Mittel eingesetzt werden, kann eine solche
Existenz jedoch abgewendet werden. Die Mittel dazu sind bereits erläutert
worden. Um sie noch einmal deutlich zu machen: Wir sollten während des
Lebens so viel Heilsames wie möglich anhäufen und im Sterbeprozess diese
positiven Potentiale durch heilsame Gedanken wachrufen.
Während der Körper
erschlafft, während der Urstoff der Festigkeit seine Kraft verliert, den
Geist zu unterstützen, erscheint dem Sterbenden ein gewisses Bild. Es
handelt sich dabei nicht um eine Wahrnehmung der Augen, sondern lediglich um
eine Erscheinung, die dem Geist des Sterbenden vorschwebt. Sie wird vom
sterbenden als eine Art Dunst erfahren. Im Sommer, wenn es richtig heiß ist,
flimmert manchmal über der Straße Dunst. Es sieht so aus, als befände sich
Wasser auf der Straße. Eine solche Erscheinung erfährt der Sterbende zu
diesem Zeitpunkt.
Der Grund dafür ist, dass der Urstoff der Festigkeit seine
Fähigkeit verliert den Geist zu unterstützen und dabei der nächste Urstoff,
der Urstoff der Feuchtigkeit oder des Wassers, etwas an Stärke gewinnt.
Genau das verursacht dann im Geist des Sterbenden diese Erscheinung des
Dunstes oder des glimmernden Wassers. Dies ist wohlgemerkt keine Wahrnehmung
der Augen, sondern lediglich eine Erscheinung des Geistes des Sterbenden.
Der Urstoff der
Feuchtigkeit löst sich auf
Als nächstes verliert der
Urstoff der Feuchtigkeit seine Fähigkeit, den Geist weiter zu unterstützen.
Als äußeres Zeichen kann ein Pfleger zu diesem Zeitpunkt beobachten, dass
der Körper des Sterbenden trocken wird. Normalerweise, im lebendigen
Zustand, hat der Körper einen gewissen Glanz, eine gewisse Ausstrahlung; und
diesen Glanz verliert der Körper zu diesem Zeitpunkt. Gleichzeitig trocknen
Mund und Augen und die verschiedenen Flüssigkeiten im Körper aus. Ein
Pfleger kann beobachten, dass die Augen und der Mund trocken werden. Die
Lippen ziehen sich zusammen, die Nase bildet sich etwas zurück und die Zunge
des Sterbenden wird trocken und rund und läuft an ihrer Wurzel bläulich an.
Wenn der Sterbende versucht, etwas zu sagen, dann ist er kaum mehr
verständlich. Alle diese Zeichen kann der Pfleger deutlich feststellen, wenn
er den Sterbenden genau beobachtet.
Ich kenne die Gepflogenheiten hier im
Westen nicht besonders. Allerdings habe ich gesehen, dass man hier den
Leichnam wäscht und anmalt, wodurch er manchmal vielleicht noch strahlender
aussieht als der lebendige Körper. In Wirklichkeit ist jedoch die Farbe
einer Leiche fahl und ohne Glanz; alle Ausstrahlung ist verloren gegangen.
An einer Leiche, die nicht angemalt ist, sollte man das sehen können. Ich
habe schon Leichen gesehen, die elegant frisiert und schön geschminkt im
Sarg lagen. Das mag zwar der Brauch eines Landes sein, aber es nützt dem
Verstorbenen in keinster Weise. Die Leiche ist nichts anderes mehr als ein
Häufchen Erde im Freien.
Wenn der Urstoff der Flüssigkeit seine Fähigkeit
verliert, den Geist zu unterstützen, treten im Sterbenden noch folgende
Zeichen auf: Worte, die ein Pfleger dem Sterbenden ins Ohr flüstert,
eventuell um ihn aufzufordern, weiter an Heilsames zu denken, hört der
Sterbende nur noch so, als ob sie von weit weg gesagt würden. Und wenn der
Krankenpfleger in sein Blickfeld kommt, dann sieht er ihn nur so, als ob er
weit, weit weg wäre, wie wenn man verkehrt durch ein Fernglas schaut. Der
Grund dafür ist, dass die Sinnesorgane ihre Kraft verlieren und somit Augen
und Ohren ihre Dienste versagen.
Zu diesem Zeitpunkt ist die geistige
Fähigkeit des Sterbenden schon sehr schwach geworden, seine
Erinnerungsfähigkeit ist kaum mehr wirksam. Dennoch sollte er sich bemühen,
soweit es geht, seinen Geist nicht durcheinander geraten zu lassen, weiter
fest auf heilsamen Gedanken zu beharren.
Nur noch zwei Dinge sind dem
Sterbenden zu diesem Zeitpunkt von Nutzen: Die heilsamen Handlungen, die er
während des Lebens durchgeführt hat, und heilsame Gedanken, die er im Moment
eventuell noch erzeugen kann. alles andere, seien es Freunde, Verwandte,
Reichtum oder was immer, hat keinerlei Nutzen mehr für den Sterbenden. Im
Gegenteil, sollte gegenüber irgendeinem dieser Dinge ein Verlangen oder eine
Anhaftung auftreten, dann begibt sich der Sterbende in große Gefahr.
Dem
Sterbenden selbst scheint zu diesem Zeitpunkt der ganze Raum von leichtem
Rauch durchzogen zu sein; nicht von schwerem und dichtem, sondern von ganz
schwachem Rauch.
Diese Erfahrung des Sterbenden ist wieder keine Wahrnehmung
seiner Augen, sondern lediglich eine innere Erscheinung. Sie tritt in seinem
Geist auf und kommt dadurch zustande, dass der Urstoff der Feuchtigkeit
schwindet und der Urstoff der Wärme etwas in den Vordergrund tritt.
Es kommt
vor, dass Sterbende selbst in dieser Phase noch über das sprechen können,
was ihnen erscheint. Selbstverständlich werden das viele Sterbende nicht
tun, aber die Möglichkeit besteht durchaus, dass ein Sterbender sogar dann
noch seine Erfahrungen mitteilt.
Zu diesem Zeitpunkt kann man durch äußere
Zeichen eventuell schon feststellen, wohin dieses Wesen nach seinem Tod
gehen wird. Deutliche Zeichen treten bei Personen auf, die in ihrem Leben
entweder stark heilsame oder sehr stark unheilsame Handlungen angesammelt
haben. Diese äußeren Zeichen deuten darauf hin, welche Eindrücke nun dem
Sterbenden heranreifen und welches nachfolgende Dasein ihn erwartet.
Es gibt
manche Sterbende, die, obwohl sie sehr gut auf ihrem Bett liegen, sagen, man
solle sie bitte auf das Kopfkissen hinaufziehen; sie hätten ständig das
Gefühl hinunter zu rutschen. Andere versuchen wiederholt, sich selbst hoch
zu ziehen, und greifen mit ihren Händen nach oben. Es gibt natürlich
Ausnahmen, aber in der Regel deuten solche Verhaltensweisen darauf hin, dass
der Sterbende in elendes Dasein gehen wird.
Es gibt manche Sterbende, die
ständig darum bitten, man solle sie ordentlich zudecken, noch mehr Decken
auf sie legen, es sei ihnen kalt, obwohl sie schon unter einer dicken
Schicht von Decken liegen. Andere wiederum beklagen sich, es sei ihnen zu
heiß, und wollen alles von sich werfen; und selbst, wenn sie sich schon ganz
abgedeckt haben, ist ihnen immer noch zu heiß. Im ersten Fall, wenn jemand
ständig um noch mehr Wärme bittet, empfindet er Kälte und begehrt nach mehr
Wärme. Das ist oft ein Zeichen für zukünftige Existenz in elenden Bereichen
mit viel Kälte. Wenn jemand ständig darum bittet, alle Decken abzuwerfen,
dann hat er die Erscheinung von Hitze und begehrt nach Kälte. Das ist oft
ein Zeichen für zukünftige Existenz in elenden Bereichen mit viel Hitze.
Eine weitere Gruppe von Sterbenden verlangt zu essen und zu trinken. Obwohl
sie kaum mehr sprechen können, bitten diese Menschen ständig um Nahrung. Das
weist oft auf ein künftiges Dasein als Preta oder hungriges Wesen hin.
Ich
habe erwähnt, dass im Sterbeprozess verschiedene Potentiale zur Reifung
kommen. Das bewirkt im Sterbenden verschieden Erfahrungen, die eine
Vorahnung der zukünftigen Existenz sind und die eigenartigen Reaktionen
auslösen.
Wenn dagegen Pfleger und Sterbender vorsichtig sind und der
Pfleger dem Sterbenden hilft, an heilsamen Gedanken fest zu halten, und wenn
es dem Sterbenden tatsächlich gelingt, bis zum vollständigen Erlöschen der
Erinnerungsfähigkeit die heilsamen Gedanken dominieren zu lassen, dann ist
es fast sicher, dass der Sterbende in angenehmem Dasein weiter existieren
wird, selbst wenn er während des Lebens viel Negatives angesammelt hat.
Der Urstoff der Wärme löst
sich auf
Im weiteren
Verlauf verliert nun der Urstoff der Wärme seine Kraft. Von außen
betrachtet, wird man feststellen, dass der Körper des Sterbenden erkaltet.
Im Allgemeinen hat der Körper während des Lebens eine innere Wärme - ganz
gleich, ob man Kleidung anzieht oder nicht. Diese Wärme vergeht zu diesem
Zeitpunkt des Sterbeprozesses völlig.
Auch bei diesem Vorgang gibt es zwei
verschiedene Varianten: Bei manchen Sterbenden erkalten zuerst die Füße. Die
Wärme verlässt den Körper von unten her schrittweise bis zum Herzen hinauf.
Erst danach entweicht die restliche Wärme vom Kopf her hinab zum Herzen. Bei
anderen Personen wiederum erkaltet zuerst der Kopf. Die Wärme entschwindet
zunächst vom Scheitel bis zum Herzen und erst danach von den Füßen bis zum
Herzen hinauf.
Es wird gesagt, dass der zweite Vorgang, wenn die Wärme erst
vom Kopf aus bis zum Herzen und erst nachher aus den Füßen entweicht, ein
Zeichen ist, dass der Sterbende in elendem Dasein weiter existieren wird.
Der Sterbende selbst erfährt zu diesem Zeitpunkt wieder eine innere
Erscheinung. Es ist ihm, als sei der Raum von Feuerfunken erfüllt. Die
Funken sind ähnlich wie beim Schleifen, aber nicht so dicht.
Dieses innere
Bild kommt dadurch zustande, dass der Urstoff der Wärme seine Kraft verliert
und der Urstoff der Energie stärker zum Vorschein kommt. Dem Sterbenden
erscheint es so, als würde ein Wind wehen und diese glühenden Funken
zerstreuen.
Zu diesem Zeitpunkt ist die Erinnerungsfähigkeit schon beinahe
erloschen. Der Geist des Sterbenden wird sich weder in einem heilsamen noch
unheilsamen, sondern in einem neutralen Zustand befinden.
Der Urstoff des Windes löst
sich auf
Als nächstes
beginnt auch der Urstoff der Energie seine Kraft zu verlieren. Als äußeres
Zeichen dafür kann beobachtet werden, wie der Atem des Sterbenden
unregelmäßig wird. Im Hals des Sterbenden kommt es durch das Atmen zu
verschiedenen Lauten. Das deutet darauf hin, dass der Urstoff der Energie
die Fähigkeit verliert, dem Geist als Grundlage zu dienen. Der Sterbende
atmet noch einmal aus und dann nicht mehr ein. Damit ist der grobe Aspekt
des Urstoffs Wind, wie er wörtlich heißt, zu einem Ende gekommen.
Zu diesem
Zeitpunkt erscheint dem Sterbenden ein Licht, ähnlich dem Schein einer
Kerze, deren Flamme ruhig brennt und nicht flackert. Zu dieser Erscheinung
kommt es, weil der Urstoff der Energie verschwunden ist und somit nichts
mehr da ist, was eine Bewegung auslösen könnte.
Während dieser Erklärungen
sollten wir nicht denken, es handle sich hier um Erfahrungen, die von
irgendwelchen Arten von Wesen gemacht werden. Wir sollten nicht glauben,
diese Erfahrungen kämen nicht auf uns zu. Ganz im Gegenteil, jeder einzelne
von uns wird diesen Prozess durchmachen müssen.
Angenommen zwei schwer
kriminelle Menschen werden zur Exekution geführt. Nachdem einer der beiden
bereits hingerichtet wurde, wird dem anderen äußerst unbehaglich zumute
sein. Er weiß genau, dass ihn nun dasselbe Schicksal wie den anderen ereilen
wird. Ähnlich verhält es sich mit uns: Es besteht vielleicht ein Unterschied
im Zeitpunkt, an dem wir die geschilderten Erfahrungen machen werden.
Absolut sicher ist es dagegen, dass wir sie machen werden - ob wir nun
bereits schwerkrank im Krankenhaus liegen oder nicht.
Angesichts dessen
sollten wir den festen Entschluss fassen, während des Lebens Heilsames
auszuführen und zum Zeitpunkt des Todes den eigenen Geist auf heilsame
Gedanken zu richten. Nichts im Leben ist wichtiger als das. Selbst wenn man
sich sein Leben lang angestrengt hat, Hunderte von Häusern zu bauen und sie
mit Kostbarkeiten zu füllen, selbst wenn man die halbe Bevölkerung der Erde
zu seinen Freunden zählen kann - zu diesem Zeitpunkt nützt einem alles das
nicht im geringsten.
Sofern den Sterbenden die Erinnerungskraft noch nicht
verlassen hat, wird er sich an das vergangene Leben erinnern. Dieses Leben
erscheint ihm dann etwa noch so, wie uns ein Traum am Morgen erscheint. Wenn
man nach einer traumreichen Nacht am Morgen aufwacht, wird einem klar, dass
man geträumt hat und dass nun alles vorbei ist. Es hat weiter keine
Bedeutung mehr. In ähnlicher Weise erscheint uns im Tod das gesamte Leben
nur noch wie ein belangloser Traum.
Nachdem der Sterbende zum letzten Mal
ausgeatmet hat, nehmen Pfleger und Beteiligte an, der Tod sei eingetreten.
Alle äußeren Zeichen sind aufgetreten, aber in Wirklichkeit ist der
Sterbende zu diesem Zeitpunkt noch nicht tot. Zu Lebzeiten ermöglichen es
uns grobe Geisteszustände, verschiedenes zu hören, zu sehen und zu sagen. Im
Prozess des Sterbens lösen sich alle diese groben Geisteszustände der Reihe
nach auf. Es kommen immer feinere Geisteszustände zum Vorschein. Nachdem er
zu atmen aufgehört hat, sind im Sterbenden immer noch ein subtiler
Geisteszustand und - eng damit verbunden - eine subtile Energie vorhanden.
Von außen betrachtet, gleicht der Sterbende nun einem Leichnam. In
Wirklichkeit jedoch ist sein Geist immer noch im Auflösungsprozess
begriffen. Der Geist hat noch vier Phasen zu durchlaufen, wobei in jeder
Phase ein gröberer Geisteszustand aufgelöst wird und ein noch feinerer in
den Vordergrund tritt.
Erfahrungen nach dem Ende des
Atmens
Der Sterbende
erfährt noch vier weitere Erscheinungen. Äußere Zeichen treten dabei jedoch
nicht mehr auf. Wenn sich der erste, der gröbste dieser vier Zustände
auflöst, nimmt der Sterbende den Schein von Licht wahr, ähnlich wie das
Licht am Himmel, wenn der Mond gerade zwischen Bergen aufgeht.
Diese
Erscheinung kommt folgendermaßen zustande: In dem zentralen Knoten der
Energiekanäle des Scheitels befindet sich im Zentrum die Samenzelle, die wir
von unserem Vater erhalten haben. Da sich nun im Sterbenden sämtliche
Urstoffe aufgelöst haben, werden ebenfalls die verschiedenen Energiekanäle,
die durch den Körper gehen und die während des Lebens stark verknotet sind,
gelöst und locker und erlauben es dieser Samenzelle, die von der Natur des
Wassers ist, durch diesen zentralen Kanal nach unten zu sinken. Und das
Nach-unten-Sinken verursacht dieses weißliche Licht, das der Sterbende zu
diesem Zeitpunkt erfährt.
Dann wird der Geist noch einmal um eine Stufe
feiner, subtiler, das heißt, es löst sich nun der nächst gröbere noch
vorhandene Geisteszustand auf. Zu diesem Zeitpunkt erfährt der Sterbende die
Erscheinung eines leicht rötlichen Lichtes, ähnlich wie das Licht am Himmel,
wenn die Sonne gerade kurz vor dem Aufgehen ist.
Diese Erscheinung wird
folgendermaßen hervorgerufen: In dem zentralen Knoten der Energiekanäle des
Nabels befindet sich die Essenz der Blutzelle, die wir von der Mutter
erhalten haben. Sie sieht zwar wie etwas Feuchtes aus, ist jedoch von der
Natur der Wärme, und dadurch steigt sie hinauf durch die Energiekanäle, die,
wie zuvor beschrieben, durch das Absinken der Urstoffe offen geworden sind.
Man kann auch durch folgende Beobachtung verstehen, dass Blutzellen von der
Natur der Wärme sind: Arbeiten, die ein starkes Ansteigen der Körperwärme
auslösen, verschlechtern immer Krankheiten in Verbindung mit Unstimmigkeit
des Blutes.
Es folgen noch zwei weitere subtile Geisteszustände. Zunächst
löst sich wieder der gröbere der beiden auf. Der Sterbende fällt dabei in
Bewusstlosigkeit und nimmt nichts wahr. Dieser Zustand kann unterschiedlich
lange dauern.
Wenn auch dieser Zustand vergeht, kommt ein noch subtilerer,
ein ganz klarer Geisteszustand zum Vorschein. Der Sterbende erfährt
vollkommenes Leersein von weißlichen, rötlichen und jeglichen anderen
Erscheinungen. Das ist der allersubtilste Geisteszustand. Im Laufe des
gesamten Lebens tritt kein feinerer Geisteszustand auf. Dieser Zustand ist
die allerletzte Phase dieses Lebens.
Dieser subtilste Geisteszustand ist in
uns auch während des Lebens vorhanden, aber er kann nicht zum Vorschein
kommen. Erst im letzten Moment des Sterbeprozesses, im letzten Moment des
Lebens, wenn alle anderen, gröberen Geisteszustände sich vollständig
aufgelöst haben, kommt dieser Geisteszustand zum Vorschein.
Manche denken
nun vielleicht, das sei wohl das Unterbewusstsein, von dem Psychologen gerne
reden. Das ist jedoch nicht der Fall; dieser subtilste Geisteszustand ist
nicht das Unterbewusstsein.
Bei den meisten Menschen währt dieser Zustand
nur kurz. Sobald die geringste Veränderung eintritt, trennen sich Geist und
Körper. Dieser subtilste Geisteszustand trennt sich vom Körper und lässt ihn
als leblose Materie zurück, ähnlich einem Stein. Die Person wird nun zum
Bardowesen, zu einem Wesen im Zwischenzustand.
In den meisten Fällen dauert
dieser letzte Geisteszustand nur sehr kurz. Es ist jedoch möglich, in diesem
Zustand ein bis zwei Tage zu verharren. Das kommt zum Beispiel bei Personen
vor, die lange krank waren und deren Körper durch die Krankheit ausgezehrt
ist. Gleichermaßen kann es bei sehr alten Leuten vorkommen, die an
Alterschwäche sterben. Auch sie verharren unter Umständen ein, zwei Tage
lang in diesem letzten Zustand und erfahren immerzu diese Erscheinung von
Leere.
Für manche Leute, die sich während ihres Lebens intensiv in
Meditation geschult haben und ein entsprechend hohes Ziel erreicht haben,
ist es möglich, den Geist während dieses subtilsten Zustands auf die
Leerheit zu richten und dann einige Tage oder auch bis zu mehreren Wochen in
dieser Erkenntnis der letztlichen Natur der Dinge zu verharren.
Die meisten
Wesen werden schnell durch diesen Zustand gehen. Ihr Geist wird dabei in
einem neutralen Zustand bleiben; das heißt, dieser letzte Augenblick ihres
Lebens, in dem der Geist am allerfeinsten ist, wird ungenutzt verstreichen.
Nun fragt man sich vielleicht: Wie kann man von außen erkennen, ob der Tod
tatsächlich eingetreten ist, ob dieser letzte Geisteszustand zu Ende ist
oder nicht? Im allgemeinen werden Zeichen auftreten, aber es ist möglich,
dass diese Zeichen aufgrund der Körperstellung des Toten nicht erkannt
werden. So kann als Zeichen des eingetretenen Todes, der Trennung von Geist
und Körper, eine Flüssigkeit aus der Nase des Verstorbenen austreten. Diese
Flüssigkeit kann wie eine Blutspur oder etwas Nasenflüssigkeit aussehen. In
Tibet war es üblich, auf solche Zeichen zu warten, bevor man den Leichnam
wegschaffte.
Wie schon erwähnt, sind wir alle Wesen, auf dieser Prozess
unweigerlich zukommt. Dieses Leben ist kurz und wie ein Traum. Deshalb ist
es sinnvoll, wenn wir nicht alle Energie in weltliche Belange stecken,
sondern auch Vorbereitungen für diese auf uns sicher zukommende
Schwierigkeit treffen können.
So wurde bisher erklärt, wie im Sterbeprozess
die groben Zustände des Geistes aufgelöst werden und immer noch feinere
Geisteszustände zum Vorschein kommen, bis im letzten Moment des
Sterbeprozesses der allersubtilste Geisteszustand an die Oberfläche kommt,
der dann keine Farben und keine Dunkelheit mehr wahrnimmt, sondern lediglich
eine vollständige Leerheit, ein Freisein von allen Erscheinungen erfasst.
Ebenfalls wurde erwähnt, dass in Meditation geschulte Leute diesen letzten,
subtilsten Geisteszustand zu etwas Großem verwenden können. Sie haben durch
intensive Schulung während des Lebens die Fähigkeit erworben, in diesem
letzten Zustand über längere Zeit in einer Erkenntnis der Leerheit zu
verharren und damit sehr schnelle geistige Fortschritte zu machen. Bei
gewöhnlichen Menschen vergeht dieser Zustand manchmal in nur wenigen
Augenblicken und ohne Nutzen.
Solange dieser subtilste Geisteszustand
anhält, ist die Person noch im gegenwärtigen Leben. Gerät auch nur die
geringste Bewegung in den Geist, verlässt er den Körper. Es entstehen wieder
gröbere Geisteszustände und gröbere Energien. Wie bereits erwähnt, sind
diese Energien gänzlich mit dem Geist verbunden und bilden nun den Körper
des Bardowesens; und der Geist ist dann der Geist des Bardowesens. Das
menschliche Leben ist damit zu Ende; ein neues Leben hat begonnen, das Leben
im Zwischenzustand.
Der Zwischenzustand - Bardo
Im Bardowesen treten
immer wieder gröbere Geisteszustände auf. Dadurch wird der subtilste
Geisteszustand, wie er im Tod zum Vorschein kam, von der Oberfläche
verschwinden und in einen schlummernden Zustand übergehen.
Ich habe immer
wieder Geschichten über Leute gehört, die nach dem Tod noch einmal zu ihren
Verwandten gekommen sein sollen. Die Angehörigen wollen zumindest die
Erscheinung des Verstorbenen gesehen haben. Diese Erscheinungen sind, das
muss man richtig verstehen, nicht der Verstorbene. Dieser Mensch hat
aufgehört zu existieren; er ist tot. Seine Existenz gibt es schlichtweg
nicht mehr. Was noch als Bardowesen weiterexistiert, ist die Kontinuität
dieses Menschen. Keinesfalls ist es dieser verstorbene Mensch, der da
zurückkommt.
Es ist jedoch möglich, dass ein nichtmenschliches Wesen das
Leben einer Person verkürzt, die schon lange krank ist und sich dem Tod
nähert. Es kann also vorkommen, dass einer solchen Person das Leben von
einem nichtmenschlichen Wesen genommen wird. Dieser Wesen werden auf
Sanskrit als Pretas bezeichnet, was manchmal mit Hungrige Geister übersetzt
wird. Manche von diesen Wesen haben die Fähigkeit, einem Menschen das Leben
zu nehmen und dann in der Form des Verstorbenen zu erscheinen.
Die meisten
Leute hier im Westen werden das nicht glauben, denn die Leute im Westen
glauben nicht an Gespenster. Das macht nichts. Ob man an Geister glaubt oder
nicht, bleibt jedem selbst überlassen.
Diese Pretas nehmen einem Menschen
nicht grundlos das Leben. Sie erhoffen sich einen Gewinn, wenn sie jemandes
Leben verkürzen, um sich dann in dessen Gestalt zu zeigen. Es besteht die
Möglichkeit, einem Pretawesen durch bestimmte Mittel das zu geben, was es
sucht. Dadurch wird es von diesem Wesen ablassen und dessen Leben schonen.
Nachdem das Leben beendet ist, existiert eine Wesen weiter als sogenanntes
Zwischenwesen oder Bardowesen. Manche von Ihnen kennen vielleicht das
Tibetische Totenbuch, das ich selbst übrigens nie gelesen habe. In diesem
Fall kommen Sie vielleicht auf den Gedanken, dass der Bardozustand recht
amüsant sein könnte. In Wahrheit ist der Bardozustand jedoch keineswegs
angenehm, sondern birgt lauter Angst und Schrecken. Um das deutlich zu
machen: Während unseres Lebens haben wir größte Mühe, unseren Geist auf ein
Objekt gerichtet zu halten. Unser Geist wandert pausenlos dahin und dorthin.
Zum Glück ist unser Körper etwas träger und bleibt am selben Ort, auch wenn
der Geist ständig auf Wanderschaft geht. Der Körper des Bardowesens hingegen
besteht aus subtilen Energien, die den Geist unterstützen. Das Bardowesen
ist deshalb auch körperlich immer dort, wo sich sein Geist hinbewegt.
Dadurch ist der Zwischenzustand voll von Unsicherheit und rastloser Bewegung
ohne die geringste Beständigkeit.
Zudem erfährt das Bardowesen im
allgemeinen ungeheure Ängste. Die kleinste Veränderung der Urstoffe bewirkt
in ihm die erschreckensten Erscheinungen. Was dem Bardowesen immerfort
erscheint, sind drohende Bilder. Dieses Wesen hat dauernd das Gefühl, dass
ihm alles in seiner Umgebung Leid zufügen möchte. Was es ständig sucht, ist
ein Ort, wo es geboren werden kann.
Für jemanden, der während des Lebens
intensiv heilsame Eindrücke angehäuft hat, sich Heilsamem gewidmet hat und
in der nächsten Existenz als Mensch oder Deva weiter existieren wird, ist
der Bardozustand etwas ruhiger und löst weniger Ängste aus. Im allgemeinen
ist der Bardozustand etwas sehr Erschreckendes.
Wenn ein Wesen gestorben ist
und sich sein Kontinuum im Bardo befindet, kann es im allgemeinen Menschen
nicht sehen. Auch wir können Bardowesen nicht sehen, denn sie gehören zu
einer anderen Klasse von Wesen, was es für uns unmöglich macht, sie
wahrzunehmen. Für Bardowesen gibt es kaum materielle Hindernisse. Wände
stellen für sie keine Barriere dar. Sie bewegen sich durch Mauern, ja sogar
durch Körper von Menschen. So ist es durchaus möglich, dass sich in diesem
Raum viele Bardowesen aufhalten und sich hin und her bewegen.
Unter den
Bardowesen selbst gibt es ebenfalls verschiedene Arten. Bardowesen von
gleicher Art können sich erkennen. Als Mensch dagegen kann man ein
Bardowesen nur dann wahrnehmen, wenn man durch Geistesschulung und bestimmte
Meditationen eine erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit entwickelt hat. Ohne solche
gesteigerte Wahrnehmung ist es unmöglich, ein Bardowesen zu erkennen.
Wiedergeburt
Im Folgenden soll
nun der Prozess der Wiedergeburt beschrieben werden.
Unter den Bardowesen
gibt es solche, die auf eine zukünftige Existenz in den elendsten Bereichen
zusteuern. Ebenso gibt es Bardowesen, die als Pretas, Tiere oder Devas
Geburt nehmen werden. Um den Prozess der Geburt möglichst anschaulich
darzustellen, soll jedoch der Vorgang einer menschlichen Geburt beschrieben
werden.
Dabei gehen wir davon aus, dass dieser Mensch einen ruhigen, sanften
Tod erfahren hat; dass er während des Sterbeprozesses an heilsamen Gedanken
festhalten konnte; dass er auch heilsame Ursachen angehäuft hat, die eine
menschliche Existenz ermöglichen, und dass sich dieses Wesen nun im
Bardozustand befindet und gerade im Begriff ist, eine menschliche Existenz
zu erlangen.
Das Wesen sucht also Eltern, als deren Kind es geboren werden
kann. Es muss sich in der Gebärmutter der Mutter mit den Substanzen der
Eltern verbinden. Damit das stattfinden kann, müssen Eltern vorhanden sein,
die die Ursachen angesammelt haben, dieses bestimmte Wesen zum Kind zu
haben, und das Bardowesen muss die Ursachen in sich tragen, genau diese
Eltern zu bekommen. Zudem muss die Gebärmutter der zukünftigen Mutter in
Bezug auf ihre Form von bestimmten Fehlern frei sein, und sie darf nicht
bestimmte Krankheiten aufweisen. Außerdem können viele verschiedene Mängel
an der Eizelle der Mutter eine Befruchtung verhindern. Alle regenerativen
Substanzen der Mutter genauso wie des Vaters müssen von sämtlichen Fehlern
frei sein. Kommen alle diese Ursachen und Umstände nicht vollständig
zusammen, ist es nicht möglich, dass dieses Bardowesen als Kind dieser
Eltern geboren wird.
Das Bardowesen sieht seine zukünftigen Eltern nicht,
sondern lediglich deren regenerative Substanzen. Genau in dem Moment, indem
es diese elterlichen Substanzen sieht, stirbt das Bardowesen, und sein
Bewusstsein verbindet sich mit diesen Substanzen.
Wenn das Bardowesen
stirbt, dann bedeutet das nicht, dass es zuerst krank und alt werden muss,
wie das beim Menschen der Fall ist. Da der Körper des Bardowesens lediglich
aus Energien besteht, die den Geist begleiten, hinterlässt es auch keinen
Leichnam. Der Körper des Bardowesens wird durch die Veränderung seines
Geisteszustandes verschwinden, und das Bewusstsein wird sich mit den
regenerativen Substanzen verbinden.
In dem Moment, in dem die regenerativen
Substanzen der Eltern verschmelzen und sich das Bewusstsein mit diesen
Substanzen verbindet, ist das Wesen entstanden und hat damit Geburt
genommen.
Wie bereits erwähnt, wird das Bewusstsein immer von subtilen
Energien begleitet. Diese Energien sind untrennbar mit dem Bewusstsein
verbunden. Wenn sich nun der Geist mit den regenerativen Substanzen
verbindet, dann verbinden sich auch diese subtilen Energien mit den
regenerativen Substanzen.
Das Wesen besteht zu diesem Zeitpunkt lediglich
aus zwei Zellen. Es ist eine winzige Substanz, bei der man weder Kopf noch
Füße ausmachen kann. Dennoch wird deutlich gemacht, dass diese Substanz
genau der Punkt ist, der sich später im Zentrum unseres Herzens befindet.
So
sollte deutlich geworden sein, dass das Wesen, das sich in diesem Beispiel
mit den elterlichen Substanzen verbunden hat, das gleiche Wesen ist, das
noch vor einiger Zeit ein alter, kranker Mensch war. Dieser Mensch ist
verstorben, hat dann als Bardowesen weiter existiert und macht nun wieder
den Prozess der Entstehung eines Kindes durch.
Daraus sollte man auch
verstehen, dass der Körper lediglich eine Basis für den Geist darstellt -
auch unser gegenwärtiger Körper. In unserem Beispiel war zuerst der Körper
des alten, kranken Menschen der Körper dieses Wesens. Dann wurde dieser
Körper zurückgelassen, und der Bardokörper bildete die Basis für das
Bewusstsein des gleichen Wesens. Nach dem Ende des Bardozustands stellen die
regenerativen Substanzen der Eltern die Grundlage für den Geist desselben
Wesens dar. Der Körper ist also immer nur eine Grundlage, während das, was
weitergeht, das Bewusstsein ist. Außerdem sollte deutlich geworden sein,
dass eine materielle Substanz nicht plötzlich zu Bewusstsein wird, sondern
dass jeweils ein Augenblick des Bewusstseins zu einem nächsten Augenblick
des Bewusstseins führt. Bewusstsein ist somit ein Kontinuum, das nicht aus
Materie entsteht.
Das kann mit folgender Analogie beschrieben werden: Unser
Körper ist wie die Kleidung eines Menschen. Nehmen wir an, ein Mensch reist
von Land zu Land. In warmen Gegenden wird er sich leicht kleiden, in kalten
Ländern dagegen etwas wärmer. So wechselt die Kleidung auf dieser Reise,
während der Mensch derselbe bleibt. Ähnlich geht das Bewusstsein von einer
Existenz zur andern und nimmt jeweils einen Körper in Abhängigkeit von
bestimmten Eltern. Einmal bekommt es in Abhängigkeit von diesen Eltern einen
Körper. Wenn es diesen Körper zurückgelassen hat, erhält er einen neuen
Körper, in Abhängigkeit von den nächsten Eltern. So entspricht der Körper in
der Analogie den Kleidern, die man immer wieder wechselt. Das
Geisteskontinuum dagegen bleibt immer dasselbe, ebenso wie der Reisende
immer derselbe ist - ganz gleich, in welches Land er geht.
Nur wenn man die
Natur des Geistes und den Prozess von Leben und Tod auf diese Weise
begreift, kann man verstehen, wie eine Existenz zur nächsten führt und was
mit früheren und späteren Existenzen gemeint ist.
Ab dem Zeitpunkt, in dem
sich das Bewusstsein mit den regenerativen Substanzen verbunden hat, ist das
Wesen ein menschliches Wesen. Würde es ab diesem Zeitpunkt zerstört oder
seine Entwicklung unterbrochen, dann wäre es für denjenigen, der das tut
oder tun lässt, genau das gleiche wie das Töten eines Menschen.
Im weiteren
Verlauf der Entwicklung bilden sich die regenerativen Substanzen der Eltern
langsam zum Körper des Wesens aus. Ebenso entwickelt sich das Bewusstsein,
das sich mit diesen Substanzen verbunden hat, weiter zum Bewusstsein dieses
Wesens. In diesem Entwicklungsprozess gestalten sich langsam die
verschiedenen Formen des Körpers aus, ebenso wie die verschiedenen inneren
Kanäle, Nerven und so weiter.
Es wurde erwähnt, dass sich auch die subtile
Energie, die den Geist begleitet, mit den Substanzen verbindet. Wenn die
subtilste Form dieser Energie etwas stärker wird, entwickelt sich die sogenannte
Leben haltende Energie. Diese Energie verweilt im Zentrum des
Menschen, im Herzen.
Im weiteren entwickelt sich eine wieder etwas gröbere
Energie. Sie heißt eben verweilende Energie und befindet sich im
Nabelzentrum. Mit diesen verschiedenen Energien entstehen gleichzeitig auch
verschiedene Bewusstseinszustände. Die Leben haltende Energie ist dafür
verantwortlich, das Leben des Menschen zu erhalten, während die eben
verweilende Energie den Verdauungsapparat steuert.
In der nächsten Phase
bildet sich die abwärts klärende Energie. Diese verweilt im Zentrum des
geheimen Ortes, bei Mann wie Frau. Ihre Funktion ist es, die Ausscheidung zu
regulieren.
Wieder entsteht dann aus der Leben haltenden Energie eine etwas
gröbere Energie, die sogenannte aufwärts strebende Energie. Sie verweilt
hauptsächlich im Halszentrum und steuert die Fähigkeit zu sprechen.
Aus der
Leben haltenden Energie entsteht dann die umfassende Energie. Sie verweilt
vor allem in den Gelenken und im Scheitelzentrum. Mit jeder dieser Energien
ist immer auch ein bestimmter Geisteszustand verbunden. Die körperlichen
Veränderungen und Bewegungen werden teilweise auch vom Geist gesteuert. Die
eigentliche Steuerung geschieht mit Hilfe dieser subtilen Energien.
Von den
regenerativen Substanzen der Eltern, die sich im Herzen befinden, steigt die
Essenz der männlichen Zelle nach oben und verweilt im Scheitelzentrum. Genau
diese Zelle wird dann im Sterbeprozess wieder ins Herz sinken. Die Essenz
der weiblichen Zelle dagegen sinkt vom Herzzentrum ins Nabelzentrum und
verweilt dort.
Was wir meisten als Empfängnis bezeichnen, stellt die
eigentliche Geburt eines Wesens dar. Zu diesem Zeitpunkt verbinden sich die
Zellen der Eltern, und gleichzeitig dringt das Bewusstsein mit den
begleitenden subtilen Energien in diese Zellen ein. Im Laufe der Entwicklung
des Kindes in der Gebärmutter entstehen immer gröbere Geisteszustände und
immer gröbere Energien, die den ganzen Körper durchziehen. Auf diese Weise
entsteht der Mensch.
Zum Zeitpunkt des Todes verläuft dieser Prozess
umgekehrt: Die groben Geisteszustände werden der Reihe nach aufgelöst und
mit ihnen die gröberen Energiezustände, bis am Schluss nur noch der
subtilste Geisteszustand und der subtilste Energiezustand vorhanden sind.
Nur diese subtilsten Geistes- und Energiezustände gehen von einer Existenz
zur anderen. Anders ist das nicht möglich. Solange im Körper noch irgendeine
dieser subtilen Energien vorhanden ist, kann ein Wesen nicht sterben.
Was
beschrieben wurde, ist der Prozess der Geburt aus der Gebärmutter. Dieser
Prozess entspricht in etwa auch den Abläufen bei einer Geburt aus dem Ei.
Die Geburt anderer Wesen, wie zum Beispiel der Pretas oder der Wesen in den
elendsten Bereichen, benötigt keinen solchen Vorgang. In diesen Bereichen
erfahren die Wesen eine spontane Geburt. In dem Moment, in dem das
Bardowesen sein Ende findet, existiert das Wesen in seiner neuen Form, in
seinem neuen Bereich.
Beim Entstehen eines Menschen entwickelt sich das Kind
in der Mutter und tritt dann aus dem Leib der Mutter aus, was konventionell
als Geburt bezeichnet wird. Dieser Vorgang ist eine äußerst mühsame
Angelegenheit, wie vor allem die Mütter genauer wissen. Wenn man die
Zerbrechlichkeit eines Neugeborenen betrachtet, ist es fast ein Wunder, dass
es bei diesem Vorgang nicht stirbt.
Wenn dann das Kind auf der Welt ist,
hält man es im Arm und denkt sich, wie lieb, wie herzig das kleine Ding da
ist, wie neu; bei genauerer Betrachtung seiner Vergangenheit würde uns
allerdings bewusst werden, dass da gar nichts Neues ist, sondern eigentlich
etwas sehr Altes. Manchmal hat es wie ein alter Mensch ausgesehen und
manchmal ganz anders. Die Person ist immer dieselbe geblieben; lediglich der
Körper war immer wieder anders. Es verhält sich ähnlich wie in der
Geschichte, die erwähnt wurde: Der Fischer hielt sein Kind als teuersten
Schatz im Schoß; in Wirklichkeit war das Kind niemand anders als der größte
Widersacher des Fischers, den dieser getötet hatte um seine Frau zu
behalten.
Nachdem das Kind zur Welt gekommen ist, steht ihm nichts anderes
bevor, als wieder alt zu werden, wieder krank zu werden und eines Tages
wieder zu sterben, um dann den gesamten Prozess von neuem durchzumachen.
Diese ständige Wiederholung des gleichen Prozesses ist es, was man
Daseinskreislauf nennt.
In meinem Beispiel bin ich von einer weiteren
Existenz als Mensch ausgegangen. Das ist keineswegs die einzige Möglichkeit,
in der ein Wesen weiter bestehen kann. Wenn die Ursachen dafür vorhanden
sind, ein Pferd zu werden, verläuft der Prozess sehr ähnlich. Lediglich die
Gestalt, die dabei herauskommt, sieht etwas anders aus. Das gleich trifft
auf Vögel und so weiter zu.
Jedes Wesen hat eine große Zahl von heilsamen
wie auch unheilsamen Eindrücken. Existiert nun ein Wesen aufgrund des
Reifens negativer Eindrücke in den elendsten Bereichen, bedeutet das nicht,
dass es für immer dort bleiben muss. Im Gegenteil, nachdem diese negativen
Ursachen aufgebraucht wurden, können wieder heilsame Eindrücke heranreifen
und als Resultat beispielsweise wieder eine menschliche Existenz
hervorrufen.
Die negativen Eindrücke entstehen aufgrund der Verblendungen.
Durch die Anwendung bestimmter Mittel ist es möglich, diese Verblendungen
vollständig zu beseitigen. Wenn die Verblendungen eliminiert sind, können
keine negativen Handlungen mehr durchgeführt werden, weil die Verblendungen
und negativen Handlungen vollkommen beseitigt sind, ist es nicht mehr
möglich, unfreiwillig unter den Einfluss von Karma und Klescha,
das heißt, unter der Macht von Handlungen und Verblendungen geboren zu
werden. Dann hat die Person den Zustand des Arhat erreicht, hat vollständige
Freiheit über das eigene Leben und den eigenen Tod. Die Person bleibt
Mensch, sie wird sich nicht auflösen. Sie hat einen Zustand vollkommener
Freiheit erreicht und kann sich in der Form von Emanationen beliebig als
Mensch oder was immer zeigen.
Außerdem erfährt diese Person kein Leid mehr,
weil die Ursachen für Leid beseitigt sind. Die Ursachen für Leid sind die
Verblendungen und die negativen Eindrücke, die unter dem Einfluss der
Verblendungen angehäuft werden.
So existiert das Wesen weiterhin, selbst
wenn es bereits höchste Ziele erreicht hat. Die Person bleibt also immer
bestehen, ob sie nun in die tiefsten Bereiche des elenden Daseins fällt oder
ob sie höchste Ziele wie die des Arhat, des Bodhisattva oder der vollen
Erleuchtung erreicht. Man bleibt immer man selbst; die Person löst sich nie
auf, sie verschwindet nie.
Solange der Geist nicht entwickelt wird, kann er
nur sehr wenig wissen und verstehen. Durch Schulung des Geistes erhöht sich
seine Fähigkeit, Dinge zu verstehen und zu erkennen. Wenn diese Fähigkeit
zur Vollkommenheit gebracht wird, kann selbst ein Teil des Geistes sämtliche
Dinge so klar erkennen, als würden sie sich in der eigenen Hand befinden.
Es
sollte also deutlich geworden sein, dass unser Körper aus den vier Urstoffen
besteht, dass wir ein Bewusstsein haben und sich verschiedene Energien in
diesem Körper befinden, die das Bewusstsein begleiten. Auch die Umwelt
besteht aus diesen vier Urstoffen. Nun haben alle diese Stoffe die
Fähigkeit, Wirkungen auszuüben. Selbst die kleinsten Fasern können unter
Umständen besondere Wirkungen hervorrufen. Falls sich die Einflüsse der
Urstoffe, die von außen auf den Körper zukommen, mit den Urstoffen des
Körpers vertragen, ist der betreffende Mensch gesund und fühlt sich wohl.
Sind die äußeren Einwirkungen dagegen unverträglich, entstehen Krankheiten.
Im Allgemeinen sind Krankheiten letztlich auf negative geistige Eindrücke
zurückzuführen. Die Umstände aber, die diese Krankheiten hervorrufen, sind
äußere Einwirkungen, die die Urstoffe des Körpers aus dem Gleichgewicht
bringen.
Wir bemühen uns sehr, verschiedene Medikamente herzustellen. In
Wirklichkeit jedoch hat jeder Stoff die Eigenschaft, unter bestimmten
Umständen eine sogenannte medizinische Wirkung hervorzurufen. Selbst Gift
kann heilend wirken. Wird zuviel Gift verabreicht, kann das für den
menschlichen Organismus tödlich sein. In anderer Dosierung und mit
verschiedenen Beimengungen kann es dagegen ein lebensrettendes Medikament
darstellen.
So hat es ein Arzt nicht leicht, wenn er eine Krankheit mit
einem bestimmten Medikament behandeln will. Denn die Substanz, die ein
Gegenmittel für die Krankheit ist, kann gleichzeitig andere Komplikationen
im Körper hervorrufen. Worum wir uns heutzutage meistens bemühen, ist eine
Bekämpfung der schwersten Krankheiten und Komplikationen des menschlichen
Körpers. Jedesmal aber, wenn wir eines dieser schwerwiegenden Probleme im
Griff haben, taucht rechts oder links davon, dahinter oder davor ein neues
Problem auf.
Selbst eine einzige Speise, die wir zu uns nehmen, kann
verschiedenste Auswirkungen haben. Um es mit Begriffen der tibetischen
Medizin auszudrücken: eine Nahrung, die dem Blut zuträglich ist, kann
gleichzeitig Krankheiten hervorrufen, die zu den Kältekrankheiten gehören
und den Unterleib betreffen. Eine Nahrung, die den subtilen Energien
zuträglich ist, kann zugleich die Körpersäfte aus dem Gleichgewicht bringen.
Durch Entwicklung der eigenen Konzentration kann man an den Punkt gelangen,
an dem die Konzentration des Geistes den Körper erhält. Wenn man dieses Ziel
erreicht hat, dann ist man nicht mehr auf Nahrung angewiesen, dann muss man
dem Körper keine äußeren Substanzen mehr zuführen. Der Körper kann durch die
Konzentration allein erhalten werden.
Ratschläge bei Depressionen
Es gibt auch Krankheiten,
die den Geist so beeinflussen, dass man ständig depressiv ist. Man kann so
traurig werden, dass man fast nicht mehr aus den Augen schauen kann. Es wird
von fünf Arten von Krankheiten gesprochen, die eine solche geistige
Veränderung hervorrufen.
Um das an einem Beispiel zu beschreiben: Es ist
möglich, dass jemand als Kind, als Jugendlicher oder bereits als Erwachsener
mit vielen Problemen konfrontiert war und sich diese Probleme sehr zu Herzen
nahm, sich ständig in diese Probleme verbohrte. Es ist möglich, dass er
durch das unablässige Sinnieren über diese Probleme immerzu traurig war.
Im
Herzen des Menschen befinden sich viele verschiedene Kanäle - auch solche,
die für das Leben des Menschen entscheidend sind. In diesen Kanälen fließen
nützliche, aber auch schädliche subtile Energien. Durch das ständige Grübeln
über bedrückende Dinge kann es vorkommen, dass die schädlichen Energien in
einen der lebenserhaltenden Kanäle in der Herzgegend eindringen.
Anfangs
wird diese Energie nur manchmal und geringfügig in diesen Kanal eintreten;
sie bildet dadurch aber schon die Basis für die Entwicklung dieser
depressiven Krankheit. Durch fortgesetztes Grübeln wird dieses Potential
verstärkt. Das führt zu einem vermehrten Eintreten der unpassenden subtilen
Energie in den Herzkanal, was eine weitere Verschlechterung des
Gemütszustandes der Person hervorruft.
Viele Leute kommen zu mir und klagen
über Depressionen. Sie sagen, sie hätten schon etliche Ärzte aufgesucht.
Diese Ärzte hätten jedoch immer nur behauptet, sie seien nicht krank; in
Untersuchungen mit unterschiedlichsten Geräten seien keine
Krankheitssymptome festgestellt worden. Aus diesem Grund habe ich erwähnt,
dass diese subtilen Energien wohl nicht mit Maschinen wahrnehmbar sind.
Im
Zuge solcher Untersuchungen können öfters andere Symptome festgestellt
werden, aber nie die eben beschriebene Ursache der Krankheit, diese subtilen
Energien, die in falsche Bahnen geraten sind.
Was kann man gegen eine solche
Krankheit unternehmen? Das beinahe einzige wirksame Gegenmittel ist es, dass
diese Person an Orte geht, die ihr sehr gut gefallen; dass sie Dinge tut,
die sie sich wünscht; dass sie ständig darauf achtet, nur Dinge zu tun, die
den Geist beruhigen und auflockern. Alle anderen Methoden können recht
mühsam sein.
Auch bei jüngeren Menschen oder solchen, bei denen sich die
Krankheit noch nicht so deutlich zeigt, mag sie sich bereits anbahnen. Erste
Anzeichen können zum Beispiel sein, dass sich die Person nicht wohl fühlt,
dass sie bedrückt ist, wenn sie sich allein oder an einem fremden Ort
aufhält. In solchen Situationen kann sie immer wieder den Drang verspüren,
heftig oder leicht stöhnend auszuatmen. Das erscheint in diesem Moment den
inneren Druck zu erleichtern, ist aber ein deutliches Zeichen für den Beginn
der erwähnten Krankheit.
Wenn man den Geist entwickeln will, sind die besten
Voraussetzungen dafür ein gesunder Körper und ein kräftiger Geist.
Andernfalls ist es zwar durchaus möglich, seinen Geist zu schulen, aber es
ist schwieriger und mühevoller.
Wenn Sie das alles hören, denken Sie
vielleicht ganz verzweifelt, das gefällt mir nicht, es sieht so aus, als ob
man alles selber tun müsse, als ob es niemanden gebe, der einem hilft.
Sicher ist es richtig, dass ohne eigene Anstrengung kein Ziel zu erreichen
ist. Im Buddhismus wird immer wieder betont, dass durch das Zusammenwirken
der eigenen Anstrengungen und der Hingabe zum letztlichen Zufluchtsobjekt
eine konkrete geistige Entwicklung sehr schnell erreicht werden kann. Das
letztliche Zufluchtsobjekt ist der Erleuchtete, der Buddha. Die eigentliche
Medizin sind die Unterweisungen des Dharma. Die Sangha sind diejenigen
Personen, die uns helfen und gemeinsam mit uns Anstrengungen unternehmen
(Drei Juwelen).
Schlussbemerkung
Sie haben nun einiges
erfahren. Dabei sollten Sie es jedoch nicht bewenden lassen. In dem Maß, in
dem Sie Unterweisungen lernen, hinterlässt das heilsame Eindrücke in ihrem
Geist. Wenn Sie dann über diese Punkte nachdenken, beispielsweise in Ihrer
Meditation, häufen Sie weiteres heilsames Potential an. Aus diesem Grund
sind Lernen und Nachdenken über Unterweisungen eine äußerst nützliche
Beschäftigung.
Was Sie tatsächlich anwenden, bleibt Ihnen selbst überlassen.
Es ist in jedem Fall ausgezeichnet, wenn Sie sich dafür interessieren, wie
das menschliche Leben zustande kommt, was es beinhaltet und wohin es führt.
So bedanke ich mich für Ihr Interesse und verabschiede mich mit vielen Taschi Deleg, was so viel wie Glück und Segen bedeutet.
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